: Nach der Wahl Entscheidung über AKWs im Osten
■ Westdeutsche Stromkonzerne verlangen „nennenswerten Beitrag“ der Atomenergie in den neuen Bundesländern/ Über Nachrüstung der Altmeiler oder Neubau soll bis März 1991 entschieden werden/ Letztes Gefecht gegen Stromeinspeisegesetz
Frankfurt (taz) — Die Stillegung aller Atomkraftwerke in der ehemaligen DDR soll nach den Vorstellungen der westdeutschen Stromkonzerne nur von kurzer Dauer sein. Schon im ersten Quartal 1991 wollen die in den fünf neuen Bundesländern engagierten Elektrizitätsversorgungsunternehmen Bayernwerk, Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk und PreussenElektra grundsätzlich über die Nachrüstung sowjetischer Altreaktoren oder den Bau neuer westlicher Meiler entscheiden.
Das erklärte am Mittwoch der Chef des Bayernwerks Jochen Holzer anläßlich des vom Dachverband der deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW) veranstalteten Symposiums „Perspektiven der Stromversorgung“ in Frankfurt. Zwar sei die Atomenergie „kein Allheilmittel gegen den Treibhauseffekt“, meinte Holzer; sie bleibe aber unverzichtbar, um die von der Bundesregierung angestrebten Reduzierungsziele bei den Kohlendioxidemissionen im Strombereich erreichen zu können. An einer „Neubewertung der Kernenergie in den dafür geeigneten Industrieländern“ führe angesichts der Klimasituation kein Weg vorbei. Holzer sprach sich dafür aus, wieder offensiv für die Atomenergie zu streiten und sie nicht länger „totzuschweigen oder auszugrenzen“.
Holzer deutete an, daß er einen Neubau westlicher Reaktoren gegenüber einer Nachrüstung der sowjetischen Meiler vorziehen würde. Altreaktoren würden die Westkonzerne nach einer technisch möglichen, aber sehr teuren Nachrüstung nur übernehmen, wenn erstens eine „belastbare Genehmigung“ vorliege und sie zweitens „wirtschaftlich zu betreiben“ seien. So stehe es im mit der Treuhandgesellschaft im August ausgehandelten Stromvertrag und dabei bleibe es. Wer eine eventuelle Nachrüstung übernehmen könnte, steht derzeit in den Sternen.
Als zentralen Angriff auf ihre Handlungsfreiheit und Griff in die Taschen der Stromverbraucher empfindet die Elektrizitätswirtschaft das im Oktober verabschiedete Stromeinspeisungsgesetz. Das derzeit von der EG überprüfte Gesetz soll am 1.Januar 1991 in Kraft treten und Betreibern regenerativer Energieanlagen einen höheren Erlös bei der Stromeinspeisung ins öffentliche Netz sichern. Holzer nannte das Regelwerk „bestenfalls ein Mittelstandsprogramm, aber kein CO2- Minderungsprogramm“, weil es insbesondere alteingesessenen Wasserkraftbetreibern zusätzliche Profite verschaffe.
Der Hauptgeschäftsführer der VDEW, Joachim Grawe, erklärte, er wolle — nachdem das Gesetz verabschiedet sei — nicht „nach-tarocken“, um dann genau dies mit einem langen Sermon gegen das Gesetz zu tun. Offensichtlich hofft die Stromwirtschaft, das von den Grünen inspirierte Gesetz im argumentativen Wechselspiel mit der EG-Bürokratie doch noch in letzter Minute kippen zu können.
Bayernwerk-Chef Holzer äußerte sich auch zu der von der Bundesregierung angekündigten CO2-Abgabe. Darüber gebe es innerhalb der Stromwirtschaft verständlicherweise unterschiedliche Auffassungen, die sich am Kraftwerkspark der jeweiligen Unternehmen orientierten. Mit anderen Worten: Wer vorrangig AKWs betreibt, sei dafür, wer seinen Strom in erster Linie aus Braun- oder Steinkohle gewinnt, sei dagegen. Holzer selbst hält eine allmählich wachsende (dynamische) CO2-Abgabe für sinnvoll, wenn sie nicht als „nationaler Alleingang“ komme. Gerd Rosenkranz
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