„Jemand muß den Flüchtlingen helfen“

■ ai organisiert Patenschaften mit Flüchtlingsgruppen, Ausländerbeauftragten und Kirchen in der Ex-DDR

Die Herren vom Bundesinnenministerium, Außenstelle Berlin, waren schon da. Im Schnellverfahren haben sie die Polizisten im Kreis Fürstenwalde in den Dschungel der Asylparagraphen eingewiesen. Jetzt wissen Ex-Vopos, wie man einen Asylantrag entgegennimmt und eine Anhörung durchführt. Für die Beratung der Flüchtlinge fühlt man sich im Ministerium, wen wundert's, nicht zuständig. Wohl aber Wanda Nikulka, Ausländerbeauftragte in Fürstenwalde. „Irgend jemand muß ihnen doch helfen, sich auf dieses Verfahren vorzubereiten.“

Ein fast unmögliches Unterfangen, denn bis vor kurzem hielt Wanda Nikulka nichts weiter in Händen als ein Schreiben aus dem Hause Schäuble, ein kurzes Merkblatt sowie ein mehrsprachiges Informationsblatt von amnesty international für Asylsuchende. Anfang des Monats kam Besuch aus dem Westen: Zwei Mitglieder des ai- Arbeitskreises Asyl Duisburg/ Oberhausen brachten zusätzliches Informationsmaterial und hielten vor Ort einen improvisierten Crashkurs für Heimleiter, SozialarbeiterInnen und die Ausländerbeauftragte ab — der Anfang einer Patenschaft besonderer Art.

In den nächsten Wochen soll das Joint-venture flächendeckend ausgeweitet werden. Damit nicht alles dem Innenministerium überlassen bleibt, wollen die AsylexpertInnen aus acht westdeutschen Arbeitskreisen regelmäßig ihre PartnerInnen in Rügen, Cottbus oder Jena mit Informationen über Asylrecht und -politik versorgen sowie Schulungen anbieten. Angesprochen sind nach Auskunft von Katja Krikowski-Martin, Asylreferentin von ai in Bonn, „vor allem die Ausländerbeauftragten und kirchliche Gruppen“, aber auch Leute, die sich in neu zu bildenden Organisationen in der Flüchtlingsarbeit engagieren wollen.

In der Bonner ai-Zentrale befürchtet man vor allem, daß die nach westlichem Vorbild geplante Einrichtung von „Zentralen Anlaufstellen für Asylbewerber“ (ZAST) in den neuen Bundesländern verheerende Folgen für Flüchtlinge haben wird. Ausländerpolizei und Bundesamt sitzen in diesen Anlaufstellen eng beieinander, die gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungen der Asylsuchenden vor beiden Behörden können also unmittelbar nacheinander durchgeführt werden. Was Politiker als Straffung des Asylverfahrens begrüßen, wird von ai scharf kritisiert, denn „die rechtliche Information und Beratung der Asylsuchenden ist durch das beschleunigte Verfahren in der Praxis nicht mehr möglich“. In der Ex-DDR schon gar nicht, befürchtet Krikowski-Martin, wo nicht nur Verwaltungsstrukturen fehlen, sondern auch Einrichtungen, „die den Flüchtlingen hilfreich zur Seite stehen“. Zumindest diesem Mißstand will amnesty international in den nächsten Monaten durch das Patenschaftsmodell abhelfen.

Am mangelnden Willen der BetreuerInnen vor Ort wird es sicher nicht scheitern. Die ai-Mitglieder aus dem Ruhrpott zeigten sich sichtlich beeindruckt vom Engagement ihrer GesprächspartnerInnen in Fürstenwalde, „die viel mehr machen, als sie eigentlich müßten“. Auch Katja Krikowski-Martin bescheinigt den Ex-DDRlern ein hohes Maß an Zivilcourage. „Wenn die auf der Straße Flugblätter für das Asylrecht verteilen, riskieren sie, eins draufzukriegen.“ Andrea Böhm

Kirchliche oder andere Gruppen, die Interesse an einer Patenschaft mit einem ai-Arbeitskreis in Westdeutschland haben, können sich entweder an die/den jeweilige/n Ausländerbeauftragten ihres Kreises oder Bundeslandes wenden oder an: amnesty international, Heerstraße 178, 5300 Bonn 1.