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Werbung ist keine Kunst

Zur Ausstellung „Spurensicherung — 40 Jahre Werbung in der DDR“ im Deutschen Werbemuseum in Frankfurt am Main  ■ Von Mathias Bröckers

Wenn ich sage 'Werbung ist Kunst‘, will ich sagen 'Werbung ist heute das, was früher einmal die Kunst war‘. Was Malerei, was Literatur, was Skulptur waren, ist heute Werbung.“

Was Werbepapst Michael Schirner nicht sagt, sagt Joachim Kellner vom Deutschen Werbemuseum: „Werbung ist keine Kunst. Kunst kann nie etwas anderes sein als eine einbegrenzte Interpretation. Werbung ist dagegen ein einbegrenztes Spiegelbild von Träumen, keine Interpretation.“ Und Klaus-Erich Küster, als Kreativ-Direktor bei Conrad&Burnett unter anderem Erfinder der „tollen Kiste“ Fiat Panda, ergänzt: „Lesen sie einmal den Kontaktbericht einer Sitzung mit dem Kunden Procter&Gamble, sagen wir wegen Luvs-Windeln, und der besonderen Bedeutung der wiederverschließbaren Klebebündchen — und Sie wissen schon eher was Werbung ist.“

Daß Werbung mit Kunst eher wenig zu tun hat — dafür scheint vor allem eine Tatsache zu sprechen: Auf der ganzen Welt gibt es, abgesehen von spezialisierten Privatsammlungen und den Sonderabteilungen einiger Graphik-Museen, kein einziges Museum für Werbung. Und auch das „Deutsche Werbemuseum“, das am letzten Wochenende seine erste Ausstellung eröffnete, gibt es bisher nur auf Papier — als eingetragenen Verein 100 fördernder Mitglieder, der sich für seine erste Ausstellung die Etage einer Kommunikationsagentur gemietet hat.

Die Ausstellung „Spurensicherung“ soll dazu beitragen, aus dem mobilen Museum eine feste Institution zu machen, und das Thema — 40 Jahre Werbung in der DDR — scheint zu unterstreichen, daß ein Werbemuseum durchaus seine Berechtigung und Notwendigkeit hat: Ohne ein solches sind die plakativen Dokumente des DDR-Alltags noch radikaler zum Untergang verurteilt als die historische Werbung im Westen. Die meisten Firmen wie auch die Werbeagenturen werden aufgelöst und den Plakaten, Verpackungsdesigns und Werbefilmen bleibt so nicht einmal die Chance, in irgendeinem Keller oder Lager vergessen zu werden und so zu überleben. Die Spurensicherung, für die der Kulturhistoriker Ulrich Giersch einige Monate in der DDR unterwegs war und Material gesammelt hat, ist so zur Rettungsaktion einer „bedrohten Art“ — der Ästhetik des DDR-Alltags — geworden.

Die Ausstellung unterteilt die geretteten Reklame-Fossilien aus vierzig Jahren DDR in vier Gruppen: die Binnenmarkt-Werbung, die Export- Werbung, Agitation und Propaganda sowie Kultur-Werbung. Es geht nicht darum, so Ulrich Giersch, die DDR-Werbung lächerlich zu machen. In einigen Punkten — etwa in den großen Gesundheitskampagnen oder der Markengestaltung großer Exportfirmen wie etwa Carl Zeiss — seien alle Kriterien sehr guter Werbung erfüllt. Das Kichern, das sich der Besucher der Ausstellung angesichts Zigarillo-Marke „Sprachlos“ oder der Feinstrumpfhose „Feinstrumpfhose“ kaum verkneifen kann, wird im Katalog relativiert.

Dort geben Werbepraktiker aus der DDR Auskunft über die Bedingungen, unter denen die Warenwelt des real existierenden Sozialismus an den Mann und die Frau gebracht wurde. Werbung dient dazu, den Überfluß zu verkaufen; die DDR- Wirtschaft aber war vom Mangel gekennzeichnet — Werbung erstreckte sich, zumal in den Anfangsjahren der DDR, ausschließlich auf den Export. Wo dennoch mit Verpackungen, Plakaten und Prospekten für den Binnenmarkt geworben wurde, mußten die DDR-Graphiker notgedrungen an die Traditionen der zwanziger Jahre anknüpfen. Winzige Etats sowie fehlende Druck- und Fototechnik ließen nichts anderes zu. So finden sich in der Ausstellung zahlreiche Plakate und Verpackungen, die noch bis in die sechziger Jahre hinein der Ästhetik der zwanziger Jahre frönen. Und dort, wo außer Ideen auch Geld und Material vorhanden waren, etwa für die Werbung der Leipziger Messe, sorgten die SED-Kader dafür, daß nichts dabei herauskam.

Der Werbefilmer Heinz Hafke im Katalog: „Die Eingriffe von seiten des Ministeriums reichten bis in die Details. So hatte die Gruppe Industrie und Werbefilm im Defa-Kurzfilmstudio 1977 einen Film für das Leipziger Messeamt produziert. In diesem Film gab es eine Einstellung, in der die Kamera zwischen Sektgläsern, die Spalier standen, auf eine Goldmedaille der Messe fuhr. Ausdruck der Freude über eine international ausgezeichnete Spitzenleistung. Kurz vor der Premiere hatte der Ministerrat der DDR ein Regime strengster Sparsamkeit verhängt, Kaffee durfte nur noch an ausländische Gäste mit besonderer Genehmigung ausgeschenkt werden. Selbstverständlich mußte diese Einstellung entfernt werden. Doch bevor es soweit war, erhielt der Film viele internationale Auszeichnungen. Das interessierte den obersten Reglementierer nicht. Die Einstellung mußte unter allen Umständen entfernt werden. Sie wurde durch einen leeren ärmlichen Tisch ersetzt, die Staatsmacht war zufrieden.“

Neben Plakaten und Verpackungen sind in der Ausstellung auch Werbefilme zu sehen, darunter Ausschnitte aus der in den fünfziger Jahren entstanden Werbe-Sendereihe „tausend tele tips“ (tt), der bis heute ein legendärer Ruf nacheilt. Nach dem Bau der Mauer wurde Werbung für Konsumartikel im Fernsehen verboten, Ausnahme blieben bis 1989 Werbefilme für die staatliche Versicherung und für die berufliche Laufbahn in der Volksarmee.

Nicht nur in den Filmen, auch in den anderen Exponaten der Ausstellung läßt sich lesen wie in einem Buch. Und besser als aus einem Buch lassen sich aus der Werbung die Verhältnisse der ehemaligen DDR herauslesen: ihre Ansprüche, Wünsche und Ziele, ihre Mythen und ihre Moden sowie die Mentalität ihrer Bürger.

„Spurensicherung — 40 Jahre Werbung in der DDR“. Die Ausstellung ist bis zum 23. Dezember in der Kommunikationsfabrik, Schmidtstraße 12, 6000 Frankfurt1, zu sehen (tägl. ab 10 Uhr). Eintritt 10 DM, Katalog 39 DM.

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