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Saubermann mit Dreck am Stecken?

■ Nun zieht es auch Bernard Tapie und den Beckenbauer-Klub Marseille in den Sumpf der Skandale

Paris (afp) — Der französische Fußballskandal zieht immer neue Kreise. Nach Toulon und Bordeaux ist nun der Beckenbauer-Klub Olympique Marseille (OM), Tabellenführer der Ersten Division, in den Strudel der Enthüllungen über illegale Finanzpraktiken der Vereine geraten. Klub- Präsident Bernard Tapie reagierte mit einer ausführlichen Klarstellung. Der reiche Finanzier, Adidas- Mehrheitsaktionär und sozialistische Abgeordnete der südfranzösischen Hafenstadt versichert, daß in der Verwaltung seines Klubs höchstens Steuerverfehlungen begangen wurden, die keine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen.

„Fingierte Rechnungen, zweifelhafte Verträge, fiktive Darlehen“, wirft die linke Wochenzeitung 'Le Nouvel Observateur‘ dem Tapie- Verein in ihrer jüngsten Ausgabe vor. „Die phantastischen Konten von Olympique Marseille“, packt das für seine Enthüllungen gefürchtete Wochenblatt 'Le Canard Enchaine‘ aus und behauptet, daß nach dem eingehenden Verhör des OM-Geschäftsführers Jean Pierre Bernes in der vergangenen Woche durch die Polizei „Stoff für die Aufnahme gerichtlicher Ermittlungen vorhanden war“. Bernes hatte nach einer über 24stündigen Anhörung das Polizeigebäude als freier Mann verlassen.

Die beiden Wochenzeitungen berichten unter Berufung auf das Vernehmungsprotokoll, daß Darlehen, die Spielern wie dem deutschen Karl- Heinz Förster gewährt wurden (2,4 Millionen Mark), „nur die juristische Tarnung für obskure Prämien waren“. Sie notieren ferner, daß der Marseiller Verein beträchtliche Summen an Sponsorfirmen für die Nutzung von Namen und Image einzelner Spieler wie des Engländers Chris Waddle (16,8 Millionen Francs) gezahlt hat und diese Summen anschließend „zumindest teilweise diskret den Spielern zuflossen“. Erwähnt wird auch die Zahlung von Provisionsgeldern an Mittelsmänner wie Louis Barin, dessen Name bereits in der Affäre um Girondins Bordeaux zitiert wurde, die portugiesische Firma Mercury (6 Millionen Francs) oder eine Gesellschaft in Panama (1,7 Millionen Francs).

Tapie versicherte seinerseits gegenüber 'afp‘, daß es sich bei den „Spielerdarlehen effektiv um Darlehen“ gehandelt habe, sei es für Förster oder die französischen Nationalspieler Alain Giresse oder Philippe Vercruysse. Bei der vorzeitigen Trennung von Förster habe dem deutschen „Fremdenlegionär“ noch ein Vertragsjahr zu 400.000 Francs monatlich zuzüglich Abgaben und Prämien zugestanden. Statt ihm das vierte Vertragsjahr auszuzahlen, habe er sich bei den Verhandlungen mit Förster auf die Darlehenslösung geeinigt und auf diese Weise für den Verein drei Millionen Francs gespart, erläuterte Tapie. Die Tilgung des Darlehens sei in den OM-Konten vermerkt. Was Spieler wie Waddle angehe, so stünden sie „unter Exklusivvertrag“ mit Firmen, die über ihre Interessen wachen. „Um sie zu engagieren, bin ich gezwungen, ein Abkommen mit dieser Gesellschaft zu schließen“, erklärte Tapie, der angeblich lediglich darüber wacht, daß die Verträge nicht gegen französische Bestimmungen, insbesondere steuerlicher Art, verstoßen.

Die portugiesische Firma Mercury von Manuel Barboza, deren Dienstleistungen für Transport und Unterkunft bei Spielen in Portugal in Anspruch genommen wurden, ist Tapie zufolge auch der „Vertragspartner praktisch aller portugiesischen Vereine für die Spieler aus Brasilien“, und sie hat „offizielle Provisionen für den Transfer von Mozer erhalten“.

Die von Spyros Karagiorgis geleitete panamaische Gesellschaft „Euroservice“ sei für diverse Leistungen bei zwei Begegnungen in Athen und in Sofia entlohnt worden, insbesondere die Aushandlung der Fernsehrechte.

Ironie des Schicksals: Tapie war es, der als vorgeblicher „Saubermann“ des französischen Fußballs die Skandalwelle ins Rollen brachte, indem er eine Reihe verbotener Praktiken anprangerte und den französischen Budgetminister Michel Charasse ermunterte, seine Steuerfahnder auf die Konten der französischen Profivereine anzusetzen. Die Vereinigung der Bürgermeister der großen Städte, die die Fußballklubs mit satten Subventionen unterstützen, hat bereits mit dem Entzug der öffentlichen Gelder gedroht. „Es gibt zu viele Fehler, Unregelmäßigkeiten und dunkle Machenschaften, wir müssen uns zurückziehen“, forderte der Bürgermeister von Toulon, Francois Trucy, der es wissen muß. Zwei Manager des Klubs der Stadt sind seit eineinhalb Monaten hinter Gittern.

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