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BonnApartPartisan und Rebell / ER und die Journaille

■ Wieso man manchmal nicht mehr singen noch seufzen, sondern nur noch Blut heulen könnte

Da sage einer, hierzulande gebe es keine Helden mehr. Erst letzten Montag huldigte 'Spiegel‘- Reporter Jürgen Leinemann Oskar Lafontaine, dem „...Mann, der für seine politische Überzeugung Blut vergossen hat...“ Es hat Adelheid Streidel also nicht auf den Kanzlerkandidaten eingestochen, weil sie psychisch krank war. Sie war politisch motiviert. Das scharfe Messer galt nicht Lafontaine, dem Prominenten. Es galt Lafontaine, dem Partisanen im Kampf für die Ökosteuer, dem Rebellen gegen Widersacher der Ergänzungsabgabe, dem Aufständischen an der Front der Rüstungsexportekritiker...

Ein Gespräch des SPD-Kanzlerkandidaten, geführt an einem Abend, in einem Zugabteil mit mehreren Journalisten. Da kann schon mal sowas bei rauskommen: Wenn Lafontaine morgens im Spiegel die Narbe am Hals sehe, singe er „Adelheid, Adelheid“. So berichtet es uns der 'Spiegel‘. Aus der 'Frankfurter Rundschau‘ erfahren wir etwas ganz anderes: Adelheid, Adelheid, seufzt da der Kandidat. Ein Kollege vom Rundfunk, auch er war im Wahlkampfsonderszug dabei, als Lafontaine erzählte, hat von gar nichts gehört: Nichts vom Singen und nichts vom Seufzen.

Wo Chauvis unter sich sind, gibt's keine erste und keine zweite, keine dritte und keine vierte Gewalt. Da sind sie alle gleich. Zum Beispiel vergangene Woche, altes Rathaus Esslingen, Eintragung des SPD- Kanzlerkandidaten ins Goldene Buch der Stadt. Es hält der Oberbürgermeister eine feierliche Rede, es schaut über die versammelten Honoratioren gelangweilt der Kandidat hinweg und marschiert, kaum hat er sie erblickt, auf eine junge Journalistin zu. „Sie sind mit Abstand die attraktivste hier“, bescheidet er sie. Ein Bonner Korrespondent der daneben steht, macht sich flugs gemein, gibt noch eins drauf: „Die Auswahl hier ist aber auch wirklich nicht groß.“ Ferdos Forudastan

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