: Wenn die Feindbilder fehlen, reicht auch ein Gegner
■ Bundeswehrmajor Peter Machalowsky rüstet Berlin mit Jugendoffizieren auf
Strausberg. Er trägt die Mannesehre mitten im Gesicht. Leicht wilhelminisch getrimmt. Dieser Staatsbürger ist nur in Uniform denkbar. Gut so. Denn Major Peter Machalowsky, 50, ist für die Öffentlichkeitsarbeit der wiedervereinten Bundeswehr zuständig. Für ein halbes Jahr ist der geborene Weddinger und Wahl-Bonner zum Bundeswehrkommando-Ost abkommandiert worden. Machalowsky soll das ehemals entmilitarisierte Berlin und die Ex-DDR mit einem Netz von Jugendoffizieren überziehen, die an den Schulen für die Vaterlandsverteidigung werben.
Die Hauptaufgabe der Jugendoffiziere, die nicht direkt Menschenmaterial anheuern dürfen (Hardthöhenjargon: »Nachwuchswerbung«), ist das Abstrahlen von möglichst viel Selbstverständlichkeit, Harmlosigkeit und Ausgewogenheit. Schließlich erledigt die Bundeswehr ihre mörderischen Aufgaben ja grundsätzlich grundgesetzlich. »Ich habe kein Feindbild, ich habe einen Verfassungsauftrag«, so gepflegt pflegt auch Major Machalowsky sich bei Diskussionen mit wehrunwilligen Berlinern auszudrücken. Das klingt nach erster Bürgerpflicht und bezieht auch schon die Identitätskrise der Armee mit ein.
Nein, Feindbild, das ist für Machalowsky nicht das richtige Wort, das hat er nie gehabt, das ist für ihn mit »Haß, Unversöhnlichkeit, Todfeindschaft« verbunden. Gegner sei da schon der bessere Ausdruck, denn »dem kann man auch wieder die Hand reichen«. Und Machalowsky, der Sozialdemokrat, das joviale Grauhaar, immer ritterlich zu Damen, freundlich-bestimmt bei den Herren, ist natürlich auch kein Propagandist: er macht »ein Informationsangebot«. Er wirbt um Verständnis. Seien Sie mir nicht böse, aber... Deshalb würde er einen Totalverweigerer auch niemals als Gegner bezeichnen. »Als Demokrat muß ich Sie ertragen, wie Sie mich ertragen müssen«, sagt er dann gern. Und verweist gleich darauf, daß er ja als Soldat für die Verteidigung der Meinungsfreiheit sorgt. Überhaupt, die Meinungsbildung liegt Peter Machalowsky sehr am Herzen. »Es wundert mich, warum der ADAC zehn Millionen Mitglieder hat und die Parteien nicht mal knapp die Hälfte«, scheut er auch den peinlichsten Vergleich nicht.
Der Major, der nach dem Abitur 1960 freiwillig Soldat wurde, ist bei der Artillerie groß geworden. Später wurde er Fallschirmspringer. »Das ist quasi wie ein Sportabzeichen«, sagt er und lacht noch über den schon hundertmal wiederholten verlogenen Gag. Recht so: einem Jugendoffizier schadet das Einbringen von flott Persönlichem oder ernstem Privaten überhaupt nicht. Nein, es erhöht die Glaubwürdigkeit, beispielsweise vom Campingurlaub in der Sowjetunion zu plaudern (»Ich kannte die Bürger der UdSSR ja nur vom Papier«) oder zu gestehen: »Ich bekomme meinen Auftrag von meinen Mitbürgern, ich könnte nicht in Chile Soldat sein, sowie ich auch in der ehemaligen NVA nicht hätte Soldat sein können.«
Von 1982 bis 1987 war Machalowsky hauptamtlicher Jugendoffizier in Frankfurt, »in der Zeit von Nato-Doppelbeschluß und Startbahn-West« hatte er um den guten Ruf der Bundeswehr ganz schön zu kämpfen, war auch verwickelt in den Skandal um das Frankfurter Soldatenurteil. Machalowsky ist einer der beiden Offiziere, die von einem ehemaligen Bundeswehrarzt als »potentielle Mörder« bezeichnet wurden. Das habe ihn damals »persönlich getroffen«, behauptet Machalowsky heute, allerdings ohne jede erkennbare Emotion. Sofort betet er die nächste passende Formel herunter: »Der Umkehrschluß wäre ja, daß der Staat von seinen Bürgern eine Pflicht fordert, die man als potentiell mörderisch bezeichnen könnte.«
Gar nicht geheuer ist Machalowsky die in Berlin lautstark geforderte Abschaffung der Wehrpflicht. Sie müsse bleiben, weil dann alle den Kopf hinhalten: »Die Entscheidung, sich zu verteidigen, muß von der Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen getragen werden«. Und wenn es denn gar nicht mehr anders geht und die Armee bald zu klein für das Riesenheer von Wehrpflichtigen ist, könne man »sich ein Milizsystem denken, wie in der Schweiz«. Mit der Wehrpflicht sei auch ein möglicher Einsatz der Bundeswehr im Golf nicht so einfach, schließlich müßten auch die Politikersöhne mit. »In geschichtlicher Dimension« sieht Machalowsky ohnehin eine »supra-nationale UNO-Weltpolizei« kommen. Auf die Nato möchte er aber vorerst nicht verzichten.
Die schlichte Einsicht, daß eine personell reduzierte, aber technisch modernisierte Bundeswehr nicht gerade als abgerüstet bezeichnet werden kann, stößt bei Machalowsky auf Unverständnis: »Ein neuer Goretex- Anorak oder Panzermotoren mit Katalysatoren sind ja auch Modernisierung.« Immer einerseits — andererseits, immer alle eingemeinden, die Argumentationen der GegnerInnen miteinbeziehen. So funktioniert der gute Jugendoffizier. Und deshalb hängt neben dem Hubschrauberposter in Machalowskys Büro im Ost- Hauptquartier in Strausberg natürlich auch ein getuschtes Kinderbild mit knallig blauen Wolken und einer strahlend gelben Sonne. Hans-Hermann Kotte
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