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Drama in drei Kraftakten

■ Dynamo Berlin errang beim 2:2 gegen die Düsseldorfer EG einen wertvollen Punkt/ Dennoch plagen die Ostberliner Anpassungsprobleme

Hohenschönhausen. Bei ihrem Bundesligadebüt Mitte September gegen die Düsseldorfer EG konnten die Eishockeyspieler des Neulings EHC Dynamo erleichtert aufatmen. Die härteste Zeit lag bereits hinter ihnen. »Wir müssen härter werden«, hatte Cheftrainer Hartmut Nickel gefordert und ließ seine 22 Spieler zum Schweißlassen antreten. 44 Punktspiele standen den Eisbären aus Hohenschönhausen bevor. »Genausoviel wie in den letzten drei Jahren der DDR-Meisterschaft insgesamt«, so Nickel. Damals flitzte mit Dynamo Weißwasser nur ein einziger Konkurrent über das Eis. Wer gewann, durfte sich Landesmeister nennen. Der Verlierer der monotonen Wochenendturniere wurde Letzter, pardon: Vizemeister.

Fünfmal wöchentlich jeweils vier Stunden arbeitete der EHC-Kader im heißen Sommer 90 an der »Grundlagenausdauer« für die erste gesamtdeutsche Saison. Radtouren bis zu 100 Kilometer bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h wechselten sich mit den ungeliebten »Bergläufen« ab.

Dennoch wurde damals bei der Saisonpremiere gegen Düsseldorf deutlich, daß die Ostberliner in puncto Kondition den westdeutschen Rivalen hinterherhechelten. Die körperlose Art der Dynamo-Puckjäger prallte hilflos an den Schutzpanzern der Rheinländer ab. Selbst Teams wie München oder Freiburg führten die Nickel-Schützlinge an den Rand der körperlichen Belastbarkeit. Mannschaftskapitän Harald Kuhnke (Jede Ähnlichkeit mit dem »blauen Bock« aus West-Berlin wäre rein zufällig!) fühlte sich sogar zu schwach für das Feierabendbierchen. »Wir haben früher eben nur gegen Weißwasser oder osteuropäische Mannschaften antreten können, die nicht so sehr den Kampf Mann gegen Mann suchen«, entschuldigte Dynamos Co-Trainer Bernd Karrenbauer seine Softies auf Kufen.

Unter den harten Stockschlägen der alteingesessenen Bundesligisten litt sogar das während der Splendid Isolation in Osteuropa angeeignete »sowjetische Kombinationsspiel« des EHC. Eine aktuelle Bundesliga- Statistik zeigt, daß die gefürchtete Dynamo-Waffe, das quirlige Zuspiel durch des Gegners Reihen, stumpf geworden ist: in der »Scorer«-Liste, die jeden Torschützen und seine Adjutanten mit einem Punkt auszeichnet, befindet sich bis hinab ins untere Mittelfeld kein einziger Ostberliner. Auch den Namen Weißwasser sucht man in den oberen Regionen vergeblich — ein schlagender Beweis für die systematischen Probleme der ostdeutschen Kufenflitzer.

Die Eisbären aus Hohenschönhausen haben es vor allem couragierten Sololäufen ihrer Supertechniker Jaschin, Hiller oder Naster zu verdanken, daß das Tabellenende noch nicht in Sicht ist. Mario Naster war es auch, der am Freitag den Führungstreffer der Düsseldorfer EG durch Uli Hiemer (32. Minute) wettmachte. Sogar als Thomas Graul nach 42 Minuten das 2:1 für die Dynamos schoß, konnten die 2.800 Zuschauer im Sportforum noch nicht vom Sieg träumen. Zu sehr preßte der Meister aus dem Rheinland die Einheimischen ins eigene Abwehrdrittel. Wieder wurde deutlich, daß die EHC-Verteidigung nicht mit der gebotenen Härte zu Werke geht, um die gegnerische Sturmreihe unter Kontrolle zu halten. Nur der russische Neuzugang Wladimir Schaschow beeindruckte die Düsseldorfer, indem er sie gleich reihenweise an die Bandenwerbung heftete.

Es half nichts. 13 Minuten vor Spielende erzielte Uli Hiemer sein zweites Tor und leitete damit die Schlußoffensive seiner DEG ein. Trotz zahlreicher Chancen scheiterten die Gäste immer wieder am EHC- Torwartidol René Bielke. Als Dank an das begeisterte Publikum aktivierten die Berliner wenigstens noch mal alle Kräfte für eine Ehrenrunde. Jürgen Schulz

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