: Legendäre Langschlitztoaster
Eine Ausstellung mit Braun-Design im Vergleich ■ Von Hans-Hermann Kotte
Braucht ein Toaster wirklich einen Infrarotsensor, der die Bräunung überwacht, eine herausnehmbare Krümelschublade, eine ins Gerät integrierbare Toastzange und einen kleinen Stauraum für das Netzkabel? Muß man einen Toaster wirklich so klobig isolieren, nur damit man sich an ihm nicht die Finger verbrennt? Und muß diese trübe signalrote Farbe denn sein, diese Riffelung wie an einem amerikanischen Überlandbus?
Über so etwas wie den neuen Braun-Toaster HT 57 können sich die rund 3.000 bundesdeutschen Braun-Maniacs, Sammler und Anbeter der schlichten und nüchternen Elektroware aus Kronberg, nur aufregen. Wie schmal und elegant war da noch der Langschlitztoaster HT 2 von 1961 mit seinen glatten schwarzen oder verchromten Flächen! Sogar lange Graubrotscheiben gingen in die Einschlitzmaschine.
Die Sammler waren seit je die schärfsten Kritiker der aktuellen Braun-Produktion, die sich immer mehr an Marketing und immer weniger an Bauhausidealen orientiert. Sie verehren die Haushalts- und HiFi- Geräte aus den fünfziger und sechziger Jahren, als Braun mit dem Design von Wilhelm Wagenfeld, Hans Gugelot und Dieter Rams, dem heutigen Chefdesigner, die Deutschen aus dem Gelsenkirchener Barock in die Zukunft katapultierte. Braun-Design gleich Meilenstein, meint seitdem nicht nur die Fachwelt. Kunstmuseen stellen Entsafter und Phonokombinationen aus, ständige Ausstellungen würdigen die revolutionäre Produktpalette, Dieter Rams wird mit einer Monographie schon zu Lebzeiten in die Halle des Ruhms gerückt.
Erstmals wagt jetzt eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Kritik an den mattschwarzen Oberflächen aus Kronberg. Mehr oder Weniger heißt sie, und vergleicht sechzig Braun- Geräte aus vierzig Jahren schamlos mit den jeweiligen Marktkonkurrenten. Ganz nach dem Motto von Chefdesigner Rams, daß „gutes Design möglichst wenig Design“ sei. Die Hamburger Ausstellungsmacher Nils Jockel und Ivo Schelle wollen den BesucherInnen einerseits aufklärerisch den Unterschied zwischen Design und Styling verdeutlichen. „Wir müssen den Kaufhäusern Paroli bieten“, meint Jockel und hofft, daß sich die Besucher seines Museums vor dem Einkauf über gutes Design informieren, statt sich nach dem Konsumstreß in den Ausstellungen auszuruhen. Andererseits geht es aber auch um den durchaus relativierenden Vergleich. Gezeigt werden solle, so Jockel, „daß Braun durchaus Anerkennenswertes geleistet hat, aber die Industriedesigner anderer Unternehmen auch nicht schlafen“. Dies müsse unbedingt gewürdigt werden, sonst komme es zu einem „Markenkult“. Und den hält Jockel für bedenklich: „Gerade heutzutage, wo ein Lacoste- oder Bennetton-Zeichen oder ein Porsche- oder Braun-Signet Wohlbefinden ausmachen — und gar nicht mehr die Vorzüge des jeweiligen Produktes.“
Der Vergleich der ästhetischen und funktionalen Vorzüge, der historische Waren- und Design-Test gelingt auch ohne abschreckende Beispiele wie den oben verrissenen HT57 besonders gut. Die Ausstellungsmacher haben die Objekte sehr präzise beschriftet, jeder Aspekt des Vergleichs hat ein eigenes Symbol. Mal wird die Produktentwicklung anhand einer langen Ahnenreihe von Philips- und Braun-Rasierern über drei Jahrzehnte gezeigt, mal wird die Form und Technik von Tischventilatoren verglichen: das Braun-Modell mit dem Tangential-Gebläse von 1961 sieht aus wie eine Turbine, während bei der Konkurrenz von der Albin-Sprenger KG noch 1965 der gute alte Propellerquirl gebaut wird.
Verglichen werden auch die Bedienungselemente und die Produkttypographie — also die Aufschriften auf Mixern, Radioskalen oder Kaffeemühlen. Hingewiesen wird auf Marktführerschaft (der Progress- Entsafter verkaufte sich besser) und Pionierleistungen (Braun hatte zuerst eine durchsichtige Plexiglashaube für seine Phonikombinationen). Besonders eindrucksvoll zeigt sich bei Braun die Formkonstanz: So ist etwa die Küchenmaschine KM 3 von 1950 kaum zu unterscheiden vom heutigen Modell KM 32.
Nicht immer fällt der Vergleich von Braun-Produkten mit der Konkurrenz so schmeichelhaft aus wie etwa bei der legendären Kompaktanlage SK4 von 1956 mit dem Spitznamen „Schneewitchensarg“, beim Weltempfänger T 1000 oder bei der ersten vertikal angeordneten Kaffeemaschine KF 20 von 1972. Da ist schon mal ein Feuerzeug von Rowenta technisch und ästhetisch eindeutig überlegen, und Braun wirkt plumper. Da wird klar, daß die Konkurrenzfirma Ismet bei der Entwicklung eines Haartrockners mit Tangentialgebläse zwei Jahre schneller war, daß die digitale Tischuhr von Braun viel schlechter ablesbar ist, als das zeitgleich produzierte Modell eines anderen Unternehmens. Auch Wega machte schöne HiFi-Anlagen und war bei der Entwicklung von Fernsehern so manches mal vorn, beispielsweise mit dem drehbaren Bildschirm. Selbst der Nachweis, daß auch der Design-Gigant Braun bei der Konkurrenz so manches Mal schlicht abgekupfert hat, gelingt den Ausstellungsmachern.
Doch sie kritisieren auch die Braun-Design-Philosophie, die stets die Funktion über die Form triumphieren läßt (manche Radio-Produkte aus den sechziger Jahren sehen eher aus wie medizinische Geräte). So zeigt eine Vitrine gleich zu Beginn der Ausstellung eine Reihe von Braun-Geräten, die so zurückhaltend gestaltet sind, daß ihre Funktion kaum noch erkennbar ist. Zum Beispiel ein Tischfeuerzeug, eine Taschenlampe und ein Gebißreinigungstopf. Ausstellungsmacher und Diplomdesigner Ivo Schelle: „Dieter Rams bezeichnet ja seine Produkte immer gern als Butler, die — wenn man sie nicht benutzt — auch wieder zurückstehen, nicht mehr zu sehen sind, quasi verschwinden.“ Manchmal, so Schelle, wolle er eben in seinen eigenen vier Wänden „Freunde um mich haben, die ich auch sehe. Ich kaufe mir vielleicht einen Stuhl, den ich besonders gerne mag oder eine Kaffeemaschine, die besonders bunt aussieht, an der ich mich freue und mit der ich meinen Nonkonformismus zeige.“ Das Lustige, Strahlende müsse nicht immer gleich kitschig sein. „Der Braun- Weg ist nicht der einzig richtige.“ Das Design aus Kronberg sei auch ein bißchen eine Metalitätsfrage. Braun-Design sei deutsches Design, und das habe „vermutlich auch etwas mit uns Deutschen zu tun“.
Einer wollte bei der Eröffung von Mehr oder Weniger eigentlich gar nichts von Vergleichen wissen: Braun-Chefdesigner Dieter Rams, der über die Konkurrenzprodukte und das Ausstellungskonzept kaum ein Wort verlor. Auf die Frage, ob denn einige der ausgestellten Braun- Produkte gegen die Mitbewerber verloren hätten, antwortete Rams mit einem kategorischen Nein. „Wir wollten immer, daß die anderen nachziehen“.
Mehr oder Weniger, Braun-Design im Vergleich, Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe bis zum 27. Januar 1991. Der Katalog kostet 18 Mark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen