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Rot-grüne Koalition in Berlin abgewählt

■ Momper gesteht Niederlage: „Diepgen ist Wahlsieger“

Berlin (dpa) — Der Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) gestand seine Niederlage bei den Gesamtberliner Parlamentswahlen exakt zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale ein: „Es ist eine bittere Niederlage, Herr Diepgen ist der Wahlsieger. Es ist eindeutig, daß Rot-Grün abgewählt ist.“

Sowohl Momper wie auch der bisherige CDU-Oppositionsführer Eberhard Diepgen signalisierten gute Chancen zur Bildung einer großen Koalition aus SPD und CDU. Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) äußerte sich dazu zunächst nicht.

Vierzig Minuten vor Momper hatte Diepgen in einer raschen Reaktion als erster Politiker den Hut in den Ring geworfen: „Der Trend ist eindeutig, ist ein Vertrauensbeweis, ist ein Auftrag zur Regierungsbildung. Ich werde für das Amt des Regierenden Bürgermeisters kandidieren.“

Diepgen deutete auch früh an, daß die großen Parteien zusammenrücken und eine große Koalition bilden könnten. Er kündigte dazu eine Initiative an und meinte, der bisherige Regierungschef Momper könnte als Bürgermeister der Stadt sein Stellvertreter werden. Auch Momper schloß eine große Koalition mit der CDU nicht aus. Er stünde dafür zur Verfügung.

Momper betonte, der „ständige Streit“ mit der Alternativen Liste (AL) habe „dazu geführt, daß die Koalition abgewählt worden ist“. Es habe sich in den Augen der Wähler gezeigt, daß die AL trotz der 20 Monate in der Regierung nicht zur Regierungsfähigkeit gelangt sei.

Die SPD kam ersten Hochrechnungen zufolge nur auf etwa 33 Prozent und lag damit klar unter ihrem Ergebnis bei den Abgeordnetenhauswahlen 1989. Kommentar von Genossen: „Vor allem für junge SPD-Wähler war Momper nach den Häuserräumungen nicht mehr tragbar.“ Auch das unrühmliche Ende der rot-grünen Koalition nur zwei Wochen vor der ersten Gesamtberliner Wahl seit 44 Jahren habe der SPD geschadet.

Auch die Alternativen Liste — ehemaliger SPD-Koalitionspartner — blies nach dem Wahlausgang Trübsal: „Übel“, „Das kann doch nicht wahr sein“ und „Allet wieder von vorne“ waren die ersten enttäuschten Äußerungen. Für die Igelpartei wurde der Abend zu einer Zitterpartie. Sie schwankten um fünf Prozent, die zum Einzug ins neue Landesparlament notwendig sind. Ihr politisches Pendant im Ostteil der Stadt wird aufgrund des Wahlgesetzes auf jeden Fall Abgeordnete stellen.

Trotz aller Turbulenzen mit immer neuen Berichten über Millionen- Deals zeigte sich die SED-Nachfolgepartei PDS fast wie ein Sieger. Jubelnd lagen sich die PDS-Anhänger in den Armen. In ihrer Hochburg Berlin konnten sie sich mit etwa zehn Prozent als drittstärkste Kraft etablieren. Im Ostteil der Stadt „sahnten“ sie sogar rund 20 Prozent der Stimmen ab.

Nach dem Aus bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen schafften die Liberalen ein überraschend klares Comeback mit etwa acht Prozent der abgegebenen Stimmen. Nichts zu lachen gab es am Wahlabend für die rechtsradikalen Republikaner. Die Partei, die 1989 überraschend den Sprung ins Parlament geschafft hatte, blieb jetzt außen vor.

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