piwik no script img

EG will nur erläutern

■ Haussmann gibt in Brüssel seine Abschiedsvorstellung GATT-FINALE, ERSTER AKT

Brüssel (taz) — Die BRD, zweitgrößte Wirtschaftsnation der Erde und stärkster Faktor in der EG, mißt den wichtigsten Welthandelsverhandlungen seit 1945 offenbar keine besondere Bedeutung zu. Während die anderen 106 Gatt- Mitgliedsstaaten gestern zur finalen Ministerrunde allesamt ihre Handelsminister und zum großen Teil zusätzlich die Agrar- und Außenminister schickten, läßt sich die Regierung Kohl/Genscher überwiegend durch Staatssekretäre und Abteilungsleiter vertreten.

Der eigentlich zuständige Wirtschaftsminister Haussmann (FDP) kündigte gestern seinen Abgang in die Privatwirtschaft an. Er kommt lediglich heute zu einer Stippvisite in die belgische Hauptstadt, um eine Rede vor seinen Amtskollegen zu halten. Landwirtschaftsminister Kiechle (CSU) — der sich wohl ebenfalls aus Bonn zurückziehen wird — will nur kommen, wenn es die Verhandlungen um den Abbau der Agrarsubventionen — Kern der Gatt-Krise — aus seiner Sicht „erforderlich“ machen.

Die deutsche Ministerabstinenz wurde im Brüsseler Konferenzzentrum gestern von Beobachtern wie Mitgliedern anderer Delegationen übereinstimmend als Brüskierung empfunden. Es war allgemein damit gerechnet worden, daß die Regierung Kohl nach ihrem überlegenen Wahlsieg ihre bisherige harte Haltung in der Agrarsubventionsfrage aufgeben und damit auch eine größere Flexibilität der EG ermöglichen würde. Doch nach einem informellen Treffen der meisten EG- Agrar- und Handelsminister am Sonntag abend kündigte der EG- Agrarkommissar John McSharry gestern lediglich „Bemühungen“ an, den anderen 95 Gatt-Staaten das EG-Angebot zu „erläutern“.

Dessen Details seien offensichtlich „noch nicht verstanden worden“. Insbesondere wolle die EG die anderen Staaten davon überzeugen, daß ihr Angebot zur Kürzung interner Subventionen um 30 Prozent indirekt auch zur Senkung von Exportbeihilfen zum Abbau von Marktzugangsbarrieren beitragen werde.

Zu diesen beiden Bereichen hatte die EG bislang keinen mit Zahlen versehenen Vorschlag gemacht. Auf mehrfache Nachfragen waren Sprecher der EG-Kommission und McSharrys gestern nicht in der Lage zu erläutern, wie dieser angebliche indirekte Effekt der Kürzung interner Subventionen zustande komme. Andreas Zumach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen