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Argentiniens "Carapintadas" meutern

■ Rechtsextreme Militärs stürmten in Buenos Aires den Sitz des Generalstabs / Drei regierungstreue Soldaten erschossen / Ausnahmezustand im ganzen Land / Bush trifft morgen zu Besuch ein

Buenos Aires (afp/taz) — In Argentinien haben gestern morgen rechtsextreme Militärs gemeutert und den Sitz des Generalstabs in unmittelbarer Nähe des Präsidentenpalastes gestürmt sowie eine Infanteriekaserne im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires in ihre Gewalt gebracht. Der peronistische Präsident Carlos Menem rief über das gesamte Land den Ausnahmezustand aus und forderte die Armeeführung auf, den Aufstand mit allen Mitteln niederzuschlagen. Nach ersten offiziellen Angaben lieferten sich am Morgen loyale Einheiten mit den sogenannten „Carapintadas“ um den Kasernenkomplex des Ersten Infanterieregiments „Patricios“ im Stadtteil Palermo heftige Gefechte. Dabei sollen mindestens drei regierungstreue Soldaten erschossen und sechs weitere verletzt worden sein. Ein Sprecher der Armee erklärte, alle vier Armeekorps des Landes seien unter Kontrolle ihrer loyal zur Regierung stehenden Kommandanten.

Unterdessen erklärten sowohl der Sprecher von US-Präsident George Bush als auch Menems Sprecher, an dem für Mittwoch vorgesehenen Besuch von Bush in Buenos Aires werde festgehalten und das Programm werde nicht geändert.

Ein Rebellenoffizier sagte nach dem Überfall auf die Kaserne, die Revolte sei kein Putschversuch. Wichtigste Forderung der Aufständischen sei der Rücktritt von Heereschef General Martin Bonnet, sagte der Offizier, der sich als ein Leutnant Abati zu erkennen gab. Die wegen ihrer mit Ruß geschwärzten Gesichter „Carapintadas“ genannten Soldaten haben zwischen 1987 und 1989 dreimal gegen den damaligen Präsidenten Raul Alfonsin gemeutert — nicht ohne Erfolg. Unter dem Druck der Militärrebellionen, die ihre Sympathisanten in den obersten Armeerängen hatten, setzte Alfonsin im Parlament zwei Gesetze durch, die vielen Offizieren der Militärdiktatur, die direkt an Menschenrechtsverbrechen beteiligt waren, einen „Befehlsnotstand“ zubilligten und mit der nationalen Aussöhnung einen „Schlußstrich“ unter die jüngste Geschichte zu setzen versprachen.

„Unser Anführer ist Oberst Mohammed Ali Seineldin“, betonte Abati. Seineldin hatte die letzte Revolte gegen Alfonsin 1988 angeführt. Derzeit steht der Oberst arabischer Abstammung in San Martin de los Andes, 1.800 Kilometer südwestlich von Buenos Aires, unter Arrest, da er mehrfach Präsident Menem scharf kritisiert hatte.

Die äußerst nationalistischen „Carapintadas“ lehnen die neoliberale Wirtschaftspolitik sowie die US- nahe Außenpolitik von Menem entschieden ab. Von Alfonsin verlangten die rechtsextremen Soldaten das Ende der Prozesse gegen Militärs, die während der Diktatur (1976-1983) gefoltert und gemordet hatten. Der in Madrid weilende Alfonsin hat Menem in einem Telefonat bereits seine Unterstützung bei der Niederschlagung der Rebellion zugesagt.

Die Rebellion hatte gegen vier Uhr morgens begonnen, als etwa 50 Soldaten die Kaserne des Ersten Infanterieregiments im Zentrum von Buenos Aires in ihre Gewalt brachten. Zeitgleich schossen sich Meuterer den Weg zum „Libertador“, dem Sitz des Generalstabs des Heeres, frei und verschanzten sich in dem Gebäude. Auch im 2.000 Kilometer südlich von Buenos Aires gelegenen Rio Gallegos soll es zu Aufständen von Soldaten gekommen sein. In der Provinz Buenos Aires haben nach lokalen Rundfunkberichten die „Carapintadas“ außerdem eine Panzerfabrik angegriffen und kontrollierten dort offenbar die Lage. Nachdem um 11.00 Uhr Ortszeit Gefechte in der Nähe des Regierungspalastes „Casa Rasada“ ausgebrochen waren, wurde der Palast sowie die angrenzende „Plaza de Mayo“ von gepanzerten Armeeverbänden sowie Polizeieinheiten abgeriegelt.

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