: Außerparlamentarisches Standbein der Grünen gestärkt
■ Parlamentarisches Spielbein geostet/ Grüne jammern und verteilen die Schuld/ Koalition rangelt um Kabinettsposten/ Haussmann geht freiwillig/ Lafontaine will vielleicht Parteichef werden
Berlin/Bonn (taz) — Die Partei, die die Frauenquotierung auf ihre Fahnen geschrieben hatte, wurde am Sonntag kalt unter die Fünfprozentklausel gewählt. Und dennoch werden in den neuen Bundestag mehr Parlamentarierinnen einziehen denn je: 20 Prozent — und nicht wie zuletzt nur 15 Prozent — werden Frauen sein. Hatten die Grünen die ökologischen Probleme dieser Welt und der Bundesrepublik in den letzten zehn Jahren im Bundestag oft zum erstenmal überhaupt thematisiert, so sind es nun CDU und sogar CSU, die sich gegenüber einer als Partei der schnellen Investitionen gestärkten FDP, als „Hüterinnen der Ökologie“ gerieren.
Der Vorstandssprecher der Grünen, Hans-Christian Ströble, schob die Niederlage gestern in die Schuhe der Konkurrentinnen SPD und PDS: Der 47jährige Lafontaine habe den Grünen vor allem junge WählerInnen abgejagt, jammerte der 52jährige, während die PDS eine Atmosphäre erzeugt habe, in der viele WählerInnen der Grünen erst gar nicht in die Wahllokale gegangen seien. Aufrufe zum Wahlboykott waren in den letzten Wochen allerdings immer wieder aus der Mitte der grünen Partei selbst zu hören. Tatsache ist, daß die außerordentlich niedrige Wahlbeteiligung — mehr als 22 Prozent blieben zu Hause — zu Lasten der Grünen ging. Unterdessen ist neuer Streit in Sicht. Während West- und Ost-Grüne/Bündnis 90 in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember zu spät, aber beschlußgemäß fusionierten, forderte der Ost-Grüne Werner Schulz, „die Fusion im Moment auszusetzen“.
Trotz seiner Niederlage wird Oskar Lafontaine voraussichtlich neuer SPD-Vorsitzender. Das Präsidium bot ihm gestern diesen Posten an. Allerdings hat sich der gescheiterte Kanzlerkandidat „noch nicht abschließend geäußert“, wie der Noch-Vorsitzende Vogel formulierte. Offensichtlich möchte Lafontaine zunächst einmal den SPD-Bundesvorstand personalpolitisch und organisatorisch umkrempeln und erst dann den Vorsitz übernehmen. Vergeblich hatte Vogel gestern Lafontaine zunächst den Fraktionsvorsitz angetragen.
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