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Die letzten West-Grünen mit Rederecht

Niedersachsens rot-grüne Koalition steht nach der Bundestagswahl unter verschärftem Erfolgszwang  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Jenen rot-grünen Wanderpokal, einen silbernen Kelch, in den die Alternative Liste die Daten ihrer Koalition mit der SPD und den Anfang und das Ende des rot-grünen Bündnisses in Hessen hat eingravieren lassen, mußten die niedersächsischen Landtags-Grünen schon vor 14 Tagen in ihre Obhut nehmen. Doch am Sonntag ist Niedersachsen, wo einst die erste Grünen-Liste sich zur Wahl stellte, nun zur letzten Stellung der Ökopartei in den westlichen Bundesländern geworden: Die einzigen West-Grünen, die noch Rederecht im Bundestag besitzen, sind die niedersächsische Frauenministerin Waltraut Schoppe und der Bundesratsminister Jürgen Trittin.

„Wir werden durch Auftritte im Bundestag versuchen, zumindest ein wenig von dem Defizit auszugleichen, das durch das Ende der grünen Bundestagsfraktion enstanden ist“, sagte Jürgen Trittin am Montag abend nach der Krisensitzung der Grünen-Landtagsfraktion. Trotz des Katzenjammers über das Wahlergebnis stand auf dieser Sitzung auch bereits ein Notplan für die Zukunft zur Debatte: Die grünen Landtagsfraktionen, so jedenfalls die Vorstellung der Fraktion in Niedersachsen, sollen künftig enger zusammenarbeiten und arbeitsteilig sich auch um die bundespolitischen Themen kümmern, für die bisher die Bonner Fraktion zuständig war.

Die bisherigen Bemühungen der rot-grünen Landesregierung sind allerdings auch in Niedersachsen am Sonntag von den Wählern nicht belohnt worden. Mit einem Verlust von drei Prozentpunkten gegenüber der Bundestagswahl 1987 erlitten die Sozialdemokraten Niedersachsens überdurchschnittlich hohe Einbußen, nur in West-Berlin und Bremen sackte die SPD noch mehr ab. Die niedersächsischen Grünen stürzten von 7,4 Prozent bei der letzten Bundestagswahl auf jetzt noch 4,5 Prozent, lagen damit aber immerhin noch im Trend ihrer Gesamtpartei. Der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann wollte gestern dieses Ergebnis jedoch nicht als Votum gegen die Landesregierung verstehen: „Unser Bundestagswahlergebnis entspricht genau der letzten Umfrage der Landesregierung, und nach dieser Umfrage würden wir bei Landtagswahlen momentan wesentlich mehr Stimmen erhalten“, versuchte er sich selbst zu trösten.

Demgegenüber sprach Bundesratsminister Jürgen Trittin schlicht von einer „Katastrophe für die Grünen“. Seine Partei habe bei der Bundestagswahl weder an die PDS noch an die SPD wesentlich Stimmen abgegeben, ein Großteil ihrer Wähler sei schlicht zu Hause geblieben, sagte Trittin. Bisher seien eine geringe Beteiligung und eine Wahl, bei der ein Regierungswechsel nicht auf der Tagesordnung stehe, immer gute Bedingungen für die Grünen gewesen. Erst wenn man diese günstigen Bedingungen mit berücksichtigt, zeige sich „die ganze Tiefe des Debakels bei der Bundestagswahl“.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder hat trotz des enttäuschenden Bundestagswahlergebnisses und des Scheiterns von Alternativer Liste und SPD in Berlin bereits am Montag versichert, daß die rot-grüne Landesregierung „die Zusammenarbeit in dieser Koalition jetzt entschieden fortsetzen“ werde. Viel Zeit gibt Jürgen Trittin der rot-grünen Landesregierung nicht mehr: „Spätestens in einem Jahr zu den niedersächsischen Kommunalwahlen“, sagt er, „müssen wir als erste wirklich erfolgreiche rot- grüne Regierung dastehen.“

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