Gatt: EG-Minister suchen nach flexiblerer Haltung

Harte Linie in der Frage der Agrar-Exportbeihilfen: Alles nur Taktik?  ■ Aus Brüssel Andreas Zumach

Die Gatt-Hängepartie im Brüsseler Kongreßzentrum ist gestern ohne sichtbare Bewegung von Positionen weitergegangen. Die EG blieb nach außen hin unverändert bei ihrer Haltung in der Frage der Agrarsubventionen und bemühte sich in bilateralen Verhandlungen mit einzelnen Staaten(gruppen) um Zugeständnisse in anderen Bereichen. Zugleich wurden die Differenzen unter den EG-Staaten über das weitere Vorgehen immer deutlicher. Von einem Treffen zwischen Kohl und Frankreichs Staatspräsident Mitterrand am Abend in Paris wurde in Brüssel allgemein grünes Licht für eine neue EG-Haltung erwartet. Kohl, so die Hoffnungen, könnte sich beim Soupé von Mitterrand das Okay für eine flexiblere Haltung Bonns in der Frage der Exportbeihilfen holen.

Nach einer Sitzung der zwölf Handels- sowie einiger Agrarminister der EG am Dienstag abend ließ die Gemeinschaft verlauten, es gebe „derzeit“ keinen Anlaß für eine Veränderung des bisherigen Brüsseler Agrarangebotes. Großbritannien und die Niederlande — zum Teil unterstützt von den Dänen — sprachen sich auf der Sitzung für eine flexiblere Haltung und neue Vorschläge der EG aus. Vor allem die Niederlande plädierten dafür, in den EG- Vorschlag eine Prozentzahl für den Abbau von Agrarsubventionen einzufügen. Dies gilt in Brüssel als das minimal notwendige Signal insbesondere an die USA und Kanada, um die seit gestern morgen ausgesetzten Verhandlungen überhaupt wieder in Gang zu bringen.

Gegen jede Änderung sprachen sich vor allem Frankreich und Irland sowie — nicht ganz so entschieden — Luxemburg aus. Im EG-Vergleich zahlt Frankreich die höchsten Exportbeihilfen an die Bauern. Von dem für Agrarfragen zuständigen irischen EG-Komissar Mac Sharry ist bekannt, daß er Premierminister werden und daher vor den Bauern seines Landes Unnachgiebigkeit demonstrieren will. Bei der Abstimmung wurde das Begehren nach mehr Flexibilität mit neun Stimmen abgelehnt.

Nach Darstellung der deutschen Delegation ist die harte EG-Haltung in der Agrarfrage vor allem Verhandlungstaktik, um Zugetändnisse in anderen Bereichen zu erzielen: namentlich von den USA in der Frage des Handels mit Dienstleistungen sowie von Indien, das als Schlüsselland in der „Dritten Welt“ hinsichtlich des Schutzes von Patenten und intellektuellem Eigentum gilt. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Schomerus, erweckte gestern nachmittag den Eindruck, als beginne sich diese Taktik auszuzahlen. Eine Reihe von Staaten hätten inzwischen weiterreichende Angebote zur Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte auf den Tisch gelegt. Dadurch gerieten die USA mit ihrer restriktiven Haltung „zunehmend in die Isolation“.