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Bescherungsvorwehen

■ Der Markt der Ersten Unabhängigen Kunstfabrik Potsdam

Es weihnächtelt auch in Potsdam. Um die obligatorische Kirche des Stadtkerns wird der entsprechende Markt abgehalten (10 Quarkkeulchen = 3 DM), wobei frittierte, kandierte Winde dafür Reklame blasen. Bald sind auch die letzten sowjetischen Unformen durch die wattebärtigen Kapuzenmänner ersetzt.

Weniger weiter vom lichtbestückten Vergnügungstreiben, in der Hermann-Elflein- Str. 10, findet der touristische Hinterhofschnüffler, vorbei an »uriger Verfallsidylle« ehemaliger Stallungen auch einen Markt: »Freude schenken — Kunst kaufen« heißt es da.

Passend in die Zeit der Beschehrungvorwehen wurde von der Ersten unabhängigen Kunstfabrik Potsdam eine alternative Kunstbörse organisiert. Hier werden am Wochenende einheimische und auswärtige Künstler ihre Arbeiten zeigen und selbst verkaufen. Damit wird jenen, die mittel- und galerielos sind, gegen eine geringe Standgebühr von 15 DM pro Tag die Möglichkeit geboten, ihre Bilder, Objekte und Zeichnungen aus den Ecken erzwungener Eigenbrödelei herauszuholen. Die Veranstaltung soll von Diskussionen begleitet sein.

So ergibt sich für den »Produzenten« wie auch das Publikum ein beiderseitiger Vorteil: Mittels Gespräch kann der Rezipient ein erweitertes Verständnis zu Neuem entwickeln, für sich das Kunstwerk aus den oft ätherischen Fernen zurückholen, und auch dem Künstler ist die direkte Erfahrung von Öffentlichkeit, mittenmang zu sein, ein notwendiger Bestandteil seiner weiteren künstlerischen Entwicklung.

Der übliche Galerist, »Torhüter« zum »Erfolg«, der sich als entfremdete Entscheidungsinstanz die »Schlechten ins Kröpfchen« zu bestimmen anmaßen kann, dessen vorderstes merkantiles Interesse es ist, Kunst in Zahlen zu verwandeln, wird so beiseit gestellt. Auch als »Zwischenparasit« wird er flach gelegt, an den der Künstler, so er Aufnahme zu finden die Ehre hat, hohe Anteile seines Verkaufsererlöses abzugeben hat.

Die Initiatoren der Potsdamer Kunstfabrik wollen jenen, die nicht parallel zu gängigen Geschmacksmustern arbeiten, eine Grundlage schaffen, ohne Rücksicht auf einengende Rentabilitätsgedanken. Sie haben auch die Gefahren einer möglichen Kreativitätsdeformation durch Anpassung ans etablierte Kunstbusiness rechtzeitig erkannt und nehmen sie ernster als die meisten ihrer Mitbürger, die in der Marktwirtschaft immer noch das schlechthin Gute sehen.

Also dann: Mit der S-Bahn bis Wannsee, dann mit dem Bus Nr.99 bis Bassimplatz. Am 8.12. findet dann auch ein Galeriefest statt, am 15.12. beginnt die Ausstellung von Anette Weber, die in ihren Keramikobjekten Feuer installiert. Frieda Wagner

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