piwik no script img

Ein Krokodil schlägt zurück

■ Anatoli Karpow gewinnt die 17. Partie der Schachweltmeisterschaft in Lyon gegen Garri Kasparow und gleicht zum 8,5:8,5 aus

Lyon (dpa/adn/taz) — Völlig ungerührt ließ Anatoli Karpow seine Niederlage in der 16. Partie der Schachweltmeisterschaft gegen Garri Kasparow. Anstatt eine Auszeit zu nehmen und dem herben Punktverlust nachzutrauern, setzte er sich einen Tag später wieder ans Brett und schlug zurück „wie ein Krokodil“ (Ex-Weltmeister Boris Spasski). Er gewann die 17. Partie und glich zum 8,5:8,5 aus.

Im Gegensatz zu den vielen in Lyon versammelten Experten hatte Karpow den Verlust der 16. Partie schon früh als unvermeidlich erkannt. „Anatoli hat schon bei der ersten Wiederaufnahme mit seiner Niederlage gerechnet“, verriet Berater Ron Henley. Vor der dritten Aufnahme dieses längsten Matches, das die beiden Dauerkontrahenten bislang gegeneinander gespielt haben, hatten seine Sekundanten sogar drei Wege gefunden, auf denen Weltmeister Kasparow unvermeidlich zum Sieg gelangen würde. Karpow verteidigte sich also nur noch routinemäßig und richtete all sein Trachten schon auf die nächste, die 17. Partie.

Dort erwehrte sich Kasparow der Attacken seines weißbesteinten Gegners gewohnt „grünfeldindisch“, wurde aber durch einen Springerüberfall des Ex-Champions aus Moskau beim zehnten Zug in leichte Schwierigkeiten gebracht. Danach hielt sich der Titelverteidiger, der die kleinen weißen Burschen offensichtlich unterschätzte, eine Zeitlang ganz gut und versuchte Karpow durch schnelles Ziehen zu provozieren, brachte sich dadurch aber letztlich selbst in die Bredouille. Als Fehler erwies sich Kasparows 23. Zug mit dem folgenden Springerabtausch, eine Aktion, durch die sein Dameflügel empfindlich geschwächt wurde.

Karpow baute seine kleinen Vorteile systematisch aus und spielte sich vor allem mit glänzenden Manövern im 26., 27. und 29. Zug schließlich eine günstige Stellung heraus. Nach dem 40. Zug mußte ein konsternierter Kasparow das Debakel eingestehen. Der Weltmeister gab auf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen