: „Es besteht Kriegsgefahr“
■ Der Oberbefehlshaber der jugoslawischen Armee, Veljko Kadijevic, droht und spricht von Verrätern, die als solche behandelt werden DOKUMENTATION
Im serbischen Wahlkampf mischt eine außergewöhnliche Partei mit, die „Armeepartei“, wie sie im Volksmund heißt. Denn hinter der erst vor zwei Wochen gegründeten „Kommunistischen Bewegung für Jugoslawien“ verbirgt sich die gesamte Generalität der jugoslawischen Volksarmee. Zwar wird sie nicht viele Stimmen erringen, doch „erregt allein die Tatsache, daß die Armeeführung eines Landes als politische Partei antritt, Angst und Schrecken“, stellte der neue Präsident der Republik Kroatien, Franjo Tudjman, fest. Am vergangenen Sonntag meldete sich der Oberbefehlshaber der jugoslawischen Armee, Verteidigungsminister Veljko Kadijevic, mit einer aufsehenerregenden Fernsehrede an die Nation, die Tudjman und sein slowenischer Amtskollege Milan Kucan öffentlich als Putschdrohung interpretieren und die wir im folgenden auszugsweise dokumentieren:
Die radikale Umgestaltung der Welt, der Zusammenbruch des realsozialistischen Systems, Auflösungserscheinungen im Warschauer Pakt und die Wiedervereinigung Deutschlands haben das bis gestern noch in einer Weise gesicherte Kräftegleichgewicht gestört. Nun dominieren auf einmal Kräfte, die durch ganz andere Faktoren bestimmt werden. Gehen wir davon aus, dieser Zustand bleibt fürs erste so, wie er sich zur Zeit herauskristallisiert, dann stoßen erstmals verschiedene neue Mächte aufeinander. Dies birgt in sich die Gefahr lokaler und regionaler Auseinandersetzungen, eben auch kriegerischer. [...]
Ausländische Generalstäbe unternehmen bereits Vorübungen eines möglichen militärischen Überfalls, zu dem man bereit wäre, würde jemand aus unserem Land danach rufen [gemeint sind die Regierungen der Republiken Kroatien und Slowenien, die sich als souveräne Staaten erklären wollen, sollte die friedliche Umwandlung des Vielvölkerstaates in eine demokratische Konföderation mißlingen und die im Falle bürgerkriegsähnlicher Zustände UNO-Truppen ins Land bitten wollen, Anm. d. Red.]. [...] Diejenigen, die eine ausländische Invasion begrüßen, sind Verräter ihres Volkes und können nur als solche behandelt werden. Jeder Versuch ausländischer Streitkräfte, die jugoslawischen Grenzen zu überschreiten, ganz gleich, ob es da ein Hilfeersuchen gab, wäre eine Aggression. Wie gegenüber jedem Aggressor würden wir uns vorbereiten und ihn wie einst bis zum Sieg bekämpfen. [...] Selbst der Ausbruch eines Bürgerkriegs ist möglich geworden. [...]
Schon seit längerer Zeit unterbreiten manche sogenannte „Rettungskonzepte“ für ihre eigene Gegend, Region, Republik oder das eigene Volk. [...] Das sind die gleichen Kräfte, die schon einmal Jugoslawien ins Verderben führten. Während des Volksbefreiungskrieges waren sie auf der Seite der Besatzer und wurden von uns militärisch wie politisch besiegt. Jetzt warten sie wieder auf ihre Stunde. [...] Die größte Gefahr für das Land droht von der Idee, innerhalb des Landes rein nationale Armeen aufzubauen [Slowenien und Kroatien drängen auf Verteidigungshoheit, Anm. d. Red.] [...] Kein Land der Welt hat mehrere Armeen, Jugoslawien ist kein Libanon und darf es auch nicht werden.
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