: „Keine herbeigeplanten Staus“
■ Betr.: Nichtstun in der Verkehrspolitik, taz vom 29.11.
Wie Sie richtig schreiben, ist Herr Prof. Willeke Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bonner Verkehrsministerium, was ihn zwar nicht disqualifiziert, doch mitverantwortlich werden läßt für die Verkehrspolitik der Bundesregierung. Insofern trifft der Vorwurf, das ÖPNV-Konzept des Bremer Senats sei „inkompetent, einseitig und lückenhaft“, nicht allzu hart, weil es eben nicht die Zielsetzungen des Bonner Verkehrsministeriums verfolgt, sondern eine Alternative darstellt.
Es ist eben anders, als es sich der Kölner Professor im Auftrag der Handelskammer vorstellt. Es ist nicht allein an den Interessen der und dem Auto orientiert, sondern es stellt das kooperative Miteinander aller Verkehrsträger in den Mittelpunkt und versucht, die Konkurrenz zwischen motorisiertem Individualverkehr, ÖPNV, Fahrrad und anderen Verkehrsmitteln aufzulösen. Es zielt auf mehr Lebensqualität, geringere Schadstoffbelastung, weniger Lärm und mehr Sicherheit. Es ist an den Bedürfnissen aller Menschen orientiert.
Die angeblich „herbeigeplanten Staus“ sind erst einmal das Ergebnis zunehmenden Autoverkehrs. Das müßte dem Professor bewußt sein. Oder hat er nicht begriffen, daß der MIV an seine Grenzen stößt, daß immer mehr Straßen das Problem nicht lösen können. Der Bremer Senat hat in Erkenntnis des verkehrspolitischen Versagens der Bundesregierung klare Ziele formuliert, die durch das integrative Verkehrskonzept realisiert werden sollen. Integrativ bedeutet in diesem Sinne, daß die Ansprüche und Bedürfnisse der Bremerinnen und Bremer sowie der bremischen Wirtschaft an ein leistungsfähiges Verkehrsnetz mit der notwendigen und verantwortungsbewußten Eingrenzung der lokalen und globalen Belastungen für die Umwelt und für die Menschen in Einklang gebracht werden sollen. Bei einer solchen Zielsetzung kann „der Ökonomische Hintergrund“ nicht der „einzige“ sein: er ist es auch, aber nicht ausschließlich. Verkehr in der Stadt ist ein sozial zu lösendes Problem.
„Flüssiger Verkehr ist umweltfreundlicher als ein Stau“ (Willeke). Selbstverständlich — noch umweltverträglicher wären allerdings Autos, die weniger benutzt und intelligenter eingesetzt würden. Wenn Herr Willeke behauptet, andere Städte seien mit den Problemen zunehmender Wirtschaftsverkehre und wachsender Mobilitätsbedürfnisse besser fertig geworden als Bremen, dann heißt dies doch in seinen Auswirkungen: Mehr Straßen, Autos, Umweltbelastungen und Lärm. Sein Vergleich mit den Verkehrsflächen, nach denen Bremen mit 8% „Schlußlicht“ ist, muß für Bremen nicht negativ sein — es kommt auf den Standpunkt an!
Herr Willeke spricht ja nicht ohne Grund von einer Idylle. Dies kann er doch nur, weil er die täglichen Verkehrsprobleme des Kölner Ballungsraumes erlebt. Gute Noten gibt der Professor der Ausnutzung des Bremer ÖPNV. Warum soll dann das beschlossene ÖPNV-Konzept von Übel sein? Es ist doch der erste Schritt in die richtige Richtung! Qualitative Verbesserungen im ÖPNV-Angebot werden folgen. Auch planen wir P&R-Plätze (so, wie Willeke vorschlägt am Stadtrand) — also doch nicht so planlos, wie er behauptet? Wenn in Bremer Planungen steigende PKW-Zahlen nicht in dem Sinne vorkommen, daß mehr Straßen gebaut werden sollen, dann doch nur deshalb nicht, weil wir uns des massenhaften Gebrauchs des Automobils und seiner negativen Folgen bewußt sind.
Wenn „Nichtstun“ ein wesentlicher Bestandteil Bremer Verkehrspolitik wäre, würden wir nicht auf den ÖPNV setzen, hätten keine Tempo-30-Zonen eingerichtet, hätten das Güterverkehrszentrum nicht gebaut, und würden die Probleme ganz einfach verdrängen. Wenn „Nichtstun“ aber bedeutet, nicht mehr Straßen zu bauen — weil sie eben die Probleme nicht lösen — so können wir stolz sein, „nichts“ gegen die Zerstörung der Umwelt und gegen eine ökologische und sozial orientierte Stadtplanungspolitik zu tun. Wo ich doch so gern die taz lese: Auf einen Kommentar zur Studie der Handelskammer hätte ich mich gefreut — und ehrlich gesagt — den habe ich auch erwartet. Rainer Imholze
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