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Wem gehört die verkaufte Mauerkunst?

■ Prozeß um die für viel Geld verkauften Mauersegmente/ Was wäre das Gestein ohne die Bemalung wert gewesen?/ Gute Chancen für Maler und Sprayer, etwas vom Kuchen abzubekommen

Mitte. Wer kennt sie nicht, die eindrucksvollen Gesichter, die die Berliner Mauer einst in der Kreuzberger Waldemarstraße verschönten — den schwarzen König mit den roten Augen, das Herz ist Trumpf, den DIR Sven und wie sie alle hießen? Die Mauersegmente sind schon lange verschwunden: Nach Amerika, Japan und in die Schweiz. Dort zieren sie jetzt die Tempel der Reichen, die auf einer Auktion in Monte Carlo 40.000 Mark und mehr für ein Gesicht auf Mauerstein hinblätterten. Der Erlös aus der Versteigerung der Mauer, die von der Westfirma Lelé Berlin Wall durchgeführt wurde, sollte dem DDR-Gesundheitswesen zugute kommen. Doch bei den Krankenhäusern ging bislang kein Pfennig ein. Das Geld liegt auf einem Verwahrkonto, weil Finanzminister Waigel Vorbehalte geäußert hat: Er will erst Überprüfen lassen, wem die Mauer gehört.

Von den Schöpfern der Kunstwerke spricht unterdessen kein Mensch mehr. Urheber der Graffitikunst in der Waldemarstraße sind der Franzose Thierry Noir und der Berliner Kiddy Citny. Die beiden arbeitlosen Künstler zogen jetzt vor das Berliner Landgericht und verklagten Lelé Wall wegen Urheberrechtsverletzung und ungerechtfertigter Bereicherung beim Verkauf der Mauersegmente. In einem ersten Verfahrensschritt verlangten Noir und Citny am Donnerstag von Lelé eine Auskunft darüber, wie hoch der Erlös der Versteigerung war. Die beiden Künstler sind der Meinung, daß ihnen ein gewisser Anteil des Erlöses zusteht, weil die Mauerteile ohne die Bemalung wesentlich weniger wert gewesen wären. Doch Lelé weigerte sich bislang, Auskunft über den Erlös zu geben. Sie vertritt den Standpunkt, die Künstler brauchten nicht an der Vermarktung beteiligt zu werden, weil die Mauer nicht ihr Eigentum sei. Vielmehr hätten Noir und Citny »fremdes Eigentum besprüht oder bemalt, was nach wohl immer noch geltendem Recht den Tatbestand einer Sachbeschädigung erfüllt«.

Der Prozeß wurde mit der Auflage an die beiden Künstler vertagt, die Klage bis Februar zu präzisieren. Das Gericht unter dem Vorsitz von Landrichter Horn ließ jedoch schon jetzt durchblicken, daß Noir und Citny gute Chancen für das Urheberrecht an den Kunstwerken haben. Schließlich, so Richter Horn, seien die Mauersegemente durch die Demontage zu einer beweglichen Sache geworden.

Die Lelé-Geschäftsführerin, Judith la Croix, fühlt sich für eine Entschädigung der Künstler nicht zuständig. Wenn jemand zahlen müsse, dann sei es die alte DDR-Firma Limex Bau beziehungsweise deren Nachfolgegesellschaft VHG Bau. La Croix begründete dies damit, Lelé habe an VHG den vollen Erlös der Versteigerung, rund 750.000 Mark, überwiesen. Die Kauffrau von VHG Bau, Elfi Goetsch, meinte demgegenüber, Lelé sei zuständig. »Wir haben die Mauersegmente an Lelé verkauft, und die haben sie weiterveräußert.« Daß es zwischen den beiden Firmen bei der Abrechnung über den gesamten Verkauf der Mauer zu Ungereimtheiten kam — es sollen fast eine Millionen Mark fehlen — ist inzwischen bekannt. plu

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