Die Lieben unterm Weihnachtsbaum

■ Das Klima für eine politische Lösung am Golf ist besser als je zuvor KOMMENTARE

Das Pokerspiel am Golf hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Runde geht eindeutig an Saddam Hussein: mit der frohen Botschaft, daß alle Geiseln bald freigelassen werden, hat der schlaue Bauernsohn aus dem irakischen Tikrit dem US-Präsidenten Bush ein wichtige psychologische und moralische Waffe aus der Hand geschlagen. Denn bis jetzt bildete die Empörung der US-Bürger über den Diktator von Bagdad, der ihre Landsleute als menschliches Schutzschild an den möglichen Kriegszielen festgehalten hatte, die demokratische (?? — d.K) Legitimation für eine kriegerische Auseinandersetzung am Golf. In drei Wochen aber, wenn die heimgekehrten Amerikaner mit ihren Lieben unter dem Weihnachtsbaum sitzen, ist der Zorn über die irakische Barbarei längst verschwunden. Dann wird weder das Schicksal von Scheich Ahmad Aldjaber as-Sabbah, dem Herrscher von Kuweit, noch die billigen Ölpreise die US-Herzen für den Wüstenkrieg erwärmen können. Dasselbe gilt auch für die anderen westlichen Länder. Auch hier wird den Bürger nach der Rückkehr der Geiseln wenig interessieren, wer wen nun in den entfernten arabischen Regionen überfallen oder beraubt oder wer wem die Kehle durchgeschnitten hat. Auch von den Millionen Arabern, die Saddam Hussein als ihren Führer huldigen, wird die Freilassung der Geiseln nicht etwa als Zeichen des Nachgebens betrachtet, sondern als Beweis der futuwa, der Ritterlichkeit und Großherzigkeit ihres Idols.

Die Freilassung der Geiseln entschärft fraglos die Kriegsgefahr am Golf. Und wenn am 17.Dezember der irakische Außenminister Tariq Aziz im Washington am Verhandlungstisch sitzt, ist das Klima für eine politische Lösung zugunsten des Irak besser als je zuvor. Vielleicht werden sich die Amerikaner gezwungen sehen, angesichts der Kriegsunlust der eigenen Bevölkerung Saddam einen Teil der kuweitischen Beute — etwa die umstrittenen nördlichen Ölfelder Kuweits oder die beiden Inseln Werbe und Bubian, die dem Irak den freien Zugang zum Golfgewässer sichern, zu überlassen.

Ob Saddam Hussein sich längerfristig der Beute erfreuen kann, ist allerdings fraglich. Nach der bisherigen Erfahrung mit dem Bagdader Regime wird man im Westen alles versuchen, um dem irakischen Diktator politisch und ökonomisch den Boden unter den Füßen zu entziehen. Ahmad Taheri