: Saturday Night Fever: Come on baby, drive my bus
■ Eine Nacht im Discobus: Laute Mucke, schmusende Pärchen, geduldige Fahrer und überfüllte Busse
Aus den Lautsprechern schallt Dancefloor-Music. Füße und Köpfe von discomäßig aufgestylten Jugendlichen wippen cool mit. Es riecht nach Parfum, Rasierwasser und Zigarettenrauch.
„Oi, mach' mal lauter, das Stück is' geil“, brüllt einer. Die Jugendlichen, höchstens 18 Jahre alt, singen jetzt teilweise mit: „Oh, yeah-yeah-yeah“. Der Mann am Regler ist indes kein DJ, sonder Busfahrer. Sein Name: Helmut Ulferts. Zwischendurch muß er Fahrkarten zum Preis von fünf Mark verkaufen und auf einem kleinen Zettel die Anzahl der Tickets aufschreiben.
Ulferts fährt in dieser Nacht die HOT LINE. Seit vier Wochen rollen drei Linien im Abstand von einer bis eineinhalb Stunden Discos im Landkreis Osterholz an. Ziel des Projekts: Die meistens jugendlichen DiscogängerInnen ohne Führerschein sollen möglichst gut zu den Tanzpalästen hin und wieder weg kommen. Und: Solche mit Führerschein sollen ihr Auto stehen lassen können, wenn sie mal Alkohol trinken.
22 Uhr: Der Bus setzt sich in Bewegung. „So, nun geht's los“, dröhnt eine jüngliche Stimme nach vorne. Ulfert steuert seine HOT LINE 3 von Schwanewede aus über Meyenburg, Hagen, Garlstedt und Osterholz-Scharmbeck wieder nach Schawanewede. Erster Stopp in Meyenburg: 20 Leute strömen aus dem Unterstand einer Haltestelle auf das Gefährt zu. Über so ziemlich alles wird gelacht. „Mach' doch mal wieder lauter“, fordern die eifrigsten Disco-Freaks und singen zaghaft mit.
Nach gut 20 Minuten ist der Bus am ersten Ziel: Die Disco „Pam Pam“ in Hagen. „Guckt Euch mal die Schlange an“, stöhnt ein Mädchen. Der Bus ist schlagartig leer. Dafür wird es nachts wohl umso voller an der Haltestelle. Dann kommt es zu solchen Szenen, wie am letzten November-Wochenende. VBN- Geschäftsführer Reiner Strenge: „Viele Besucher konnten nicht mit, weil der Bus voll war. Darum haben wir auf unserer Manöverkritik am 29. beschlossen, nachts ab Schwanewede und ab –Pam Pam' zwei Busse einzusetzen.“
Vielmehr, so Strenge, sei denn aber auch nicht drin. Denn sonst können die veranschlagten Kosten von 300.000 Mark pro Jahr nicht eingehalten werden. Ob die Stadtgemeinde Bremen, der Landkreis Osterholz und dessen Gemeinden, die das Projekt finanzieren, sonst noch mitspielen, bleibt fraglich.
Szenenwechsel: Es ist kurz vor eins. Umsteigemöglichkeit von der Hot Line 3 zur Hot Line 1. Sie fährt über Hauptbahnhof Walle, Gröpelingen, Burgdamm und Ihlpol nach Osterholz-Scharmbeck. Die Haltestelle ist direkt an der Disco „Star Ship“. Am „Arena“ in Ihlpol stehen 50 bis 100 NachtschwärmerInnen an der Straße und wollen mit. Kaum hat der Bus gehalten, beginnt das Gedränge und Geschiebe. Jeder möchte einen Sitzplatz ergattern. Die gleichen Szenen an den dahinter stehenden Bussen. Auch hier sind die HOT LINE-MacherInnen von dem großen Andrang der letzten Wochen überrannt worden, so daß auch auf der „1“ „Verstärker“ eingesetzt werden.
Von außen wird unterdessen kräftig geschoben. Es ist zwar so voll, daß die Leute im Gang stehen müssen. Die Stimmung indes leidet nicht darunter. Pärchen sind entweder im Gang oder in den Sitzen hingebungsvoll am Schmusen.
Allgemeine Verwunderung an der Domsheide: Der Bus muß an der Wachtstraße halten. Dem Chaufeur werden umständliche Rangiermanöver abverlangt. Folge der Bus kommt mit fünf Minuten Verspätung wieder am „Arena“ an.
Ausgerechnet der BSAG-Bus der Hot Line 2 aber fährt pünktlich. Folge: Wer durch Bremen- Nord nach Schwanewede will, muß eine Stunde warten. Also: Letzte Linie um 4.00 Uhr. Die letzten DurchtänzerInnen sitzen den Kopf vorne übergebeugt auf ihren Plätzen. Die letzten SchläferInnen steigen am Bahnhof Blumenthal aus.
Einen konkreten Verbesserungsvorschlag für das Projekt hat BSAG-Chauffeur Speck: „Hot Line-Karten müßte man im Vorverkauf kriegen. Die Leute aus Farge oder Rekum sind angeschmiert. Bis dahin fährt kein Bus. Die müssen bis Blumenthal erst noch zweifünfzig ausgeben. Für die ist es wahrscheinlich billiger, mit der regulären Buslinie zu fahren und das letzte Stück zu laufen.“ Ulf Buschmann
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