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Antarktis-Konferenz „enttäuschend“

In Chile ging die internationale Konferenz über Umweltschutzmaßnahmen in der Antarktis ohne greifbaren Fortschritt zu Ende  ■ Von Stefan Schaaf

Berlin (taz) — Im Vorfeld herrschte Hoffnung auf einen Durchbruch: Vor Beginn der Konferenz der 38 Unterzeichnerländer des Antarktis- Vertrages, die am Donnerstag zu Ende ging, hatten sowohl Großbritannien als auch die USA überraschend signalisiert, daß sie sich einem Verbot der Rohstoffausbeutung in der Antarktis nicht länger widersetzen würden. Das empfindlichste Ökosystem des Planeten, der Lebensraum von 80 Millionen Pinguinen und das größte Süßwasserreservoir der Erde schien vor dem Menschen gerettet werden zu können.

Die Chancen für den Vorschlag von Umweltschutzgruppen, die Antarktis zu einem umfassend vor menschlichen Eingriffen geschützten „Weltpark“ zu machen, waren gestiegen. Zumindest erschien möglich, daß sich die Position von Staaten wie Frankreich, Australien und Neuseeland, die das 1988 ausgehandelte Rohstoffabkommen durch einen Stopp jeglicher Ausbeutung von Bodenschätzen in der Antarktis ersetzen wollten, durchsetzt. Ausdrücklich betonten diese Staaten, daß friedliche und gesetzlich geregelte wissenschaftliche Tätigkeit in „Antarktika“ fortgesetzt werden solle. Das Rohstoffabkommen war nie in Kraft getreten, da es nicht von der erforderlichen Zahl von Ländern ratifiziert worden war.

Doch nun, am Ende des dreiwöchigen Konferenzmarathons im chilenischen Vina del Mar, herrscht bei den UmweltschützerInnen Enttäuschung. Das Treffen der Vertragsstaaten ging zu Ende, ohne daß die Diskussionen über ein Rohstoffabbauverbot auch nur mit einem gemeinsamen Votum abgeschlossen worden wären. Statt dessen werden im April nächsten Jahres weitere Verhandlungen in Madrid folgen.

Greenpeace, das mit einer Beobachterin in Vina del Mar vertreten war, kritisiert besonders die „nebulöse“ Haltung der Bundesregierung, deren Vertreter in Vina del Mar nur Lippenbekenntnisse zur Erhaltung der antarktischen Umwelt abgegeben habe, sich aber beim zentralen Punkt des Weltpark-Konzepts — dem endgültigen Verbot des Rohstoffabbaus — nicht festlegen ließ. Die Bundesregierung bemühte sich nach eigenen Angaben um eine Vermittlerposition zwischen Staaten, die ein Verbot des Rohstoffabbaus forderten, und Staaten, die statt dessen nur ein Moratorium aushandeln wollten. Doch eine Stellungnahme der „Antarctic and Southern Ocean Coalition“ (ASOC), die zweihundert Umweltgruppen aus zahlreichen Ländern vertritt, warnt: „Wenn man ein Moratorium bei der Rohstoffausbeutung erörtert, führt man in Wahrheit eine Diskussion darüber, wann der Abbau der Bodenschätze beginnen soll.“ Ein Greenpeace-Vertreter erläutert dazu, daß die Industrienationen ohnehin abwarten wollen, bis sich die technologischen Voraussetzungen zur Rohstoffgewinnung noch verbessert haben.

Der Konferenz in Chile lagen verschiedene Vorschläge vor, der wohl weitgehendste wurde von den Regierungen Australiens, Belgiens, Frankreichs und Italiens unterbreitet. Darin werden neben dem Verbot aller rohstoffbezogenen Tätigkeiten neue Institutionen vorgeschlagen, die die Einhaltung der Umweltschutzmaßnahmen sicherstellen sollen. Ein ständiger Ausschuß soll die grundlegenden Entscheidungen vorbereiten, durchführen und überwachen; ein wissenschaftlicher Beratungsausschuß soll die Aktivitäten in der Antarktis fachlich bewerten und das Schadensrisiko neuer Projekte beurteilen; eine Aufsichtsbehörde soll alle Tätigkeiten kontrollieren.

Die UmweltschützerInnen kritisieren an diesem wie an allen übrigen Entwürfen, daß die antarktischen Gewässer — das fruchtbarste Meer unseres Planeten, in dem sich die Grundlagen für die maritime Nahrungskette bilden — ausgespart werden. Sie fordern, das gesamte antarktische Ökosystem zu schützen.

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