: Erst Lizenzen, dann Joint-venture, dann die Übernahme
■ Osteuropas Autoindustrie hat ihre Käufer längst gefunden/ VW-Erzkonkurrent Fiat ist in der Region bereits führend/ Französische Hersteller bedeutungslos
Volkswagen war am schnellsten. Die Mühe, den üblichen Weg bis zum Schlucken eines osteuropäischen Auto-Herstellers zu machen, war diesmal nicht nötig. Die schnelle Privatisierungspolitik Prags machte es möglich, daß Lizenzbau und Joint- venture gleich übersprungen wurden. Die anfängliche Minderheitsbeteiligung von VW an Skoda wird zügig ausgebaut werden; während die Trabant-Produktion in Zwickau verendet, wird die tschechische Marke zum Exportschlager in die osteuropäischen Länder werden.
Das Ansinnen ist klar: VW-Chef Hahn selbst hat die Region als „Mega-Markt“ bezeichnet, und optimistischen Schätzungen zufolge soll die Nachfrage innerhalb von zehn Jahren auf zehn Millionen Autos jährlich steigen. Ganz unterschiedlich sind allerdings die Ausgangsbedingungen für die westeuropäischen Konzerne. Fiat hat mit den Produktionen in Polen, der UdSSR und Jugoslawien den längsten Weg hinter sich. Citroän ist nach seinem rumänischen Debakel schnell wieder aus Osteuropa ausgestiegen, und die Renault-Führung fragt sich jetzt vermutlich, ob es richtig war, noch in der ersten Hälfte dieses Jahres alle verfügbaren Kräfte für den Ausbau des Netzes in der damaligen DDR einzusetzen. So machte denn auch die Offerte aus Paris eher den Eindruck, mit der schnellen Nadel zusammengeschustert worden zu sein.
Mit der Skoda-Entscheidung ist nun fast jeder osteruopäische Autohersteller unter der Haube. Fiat bleibt in Polen und der UdSSR dominant, befindet sich aber bei der Beteiligungspolitik in allen drei Ländern mitten in einem Strategiewechsel. War der Polski Fiat noch eine reine Lizenzproduktion von FSO, wird bei dem 50:50-Joint-venture FSM inzwischen die Mehrheit angestrebt; versprochen sind Investititonen von 900 Millionen DM durch Fiat selbst und durch andere italienische Unternehmen. An einem entsprechenden Plan für FSO arbeiten derzeit die Experten in der Konzernzentrale in Turin, wird bei Fiat offen eingeräumt.
Absolut dominant ist Fiat auch in Jugoslawien, wo der Zastava einen Marktanteil von 90 Prozent hat. Die Fiat-Beteiligung von 25 Prozent soll über die 50-Prozent-Marke aufgestockt werden, und schon ist die Absicht erklärt, dort auch Tipos und Unos zu bauen und nach Italien zu exportieren. Kontakte bestehen außerdem zum rumänischen Geländewagenhersteller ARO.
Während in Ungarn, das im Rahmen der alten realsozialistsichen Arbeitsteilung vor allem für die Produktion von Bussen und Straßenbahnen zuständig war, ein Suzuki-Werk eröffnet werden soll, ist in Bulgarien nichts zu holen. Unklar ist, wie es bei Dacia in Rumänien weitergehen wird, das zwar einst von Renault mitbegründet wurde, aber seit 1974 unter ausschließlicher Staatsregie steht. Das Oltcit-Werk, einst mit Citroän für die Herstellung des spritfressenden Fahrzeugs „Axel“ aus der Taufe gehoben, ist zahlungsunfähig und befindet sich im Zusammenbruch. Citroän hat sich schon 1982 davon zurückgezogen, als abzusehen warm, daß Qualitätsvorgaben und Lieferverpflichtungen überhaupt nicht eingehalten wurden. Etwa eine Milliarde Francs Gewinn machte Citroän dann, als Diktator Ceausescu beschloß, den französischen Konzern mit 4,4 Milliarden Franc auszuzahlen.
Und dann gibt es noch die Sowjetunion. Auch hier ist Fiat wiederum am weitesten. Zum einen wird in der schlüsselfertig gelieferten Fabrik in Togliattigrad seit zwanzig Jahren der Lada gebaut, zum anderen ist ein Mega-Projekt 1.000 Kilometer südöstlich von Moskau bereits vereinbart. Weil die sowjetische Regierung nach Fiat-Angaben die „Massenmotorisierung“ wünscht, wird ab 1993 dort der Fiat Panda in Lizenz gebaut — 300.000 bis 400.000 Fahrzeuge jährlich sind verabredet. Mit einem ganz neuen Modell — mit Namen Oka — soll ab 1994 der Ausstoß von 300.000 Einheiten angegangen werden; für den Export ist ein Viertel bis ein Drittel der Produktion gedacht; hier hält Fiat bereits einen Joint- venture-Anteil von 30 Prozent. Und schließlich soll, wenn Geld da ist, auch noch eine Mittelklasselimousine gebaut werden.
Wie in der alten DDR und der CSFR, existiert in Polen eine funktionierende Infrastruktur der Autoproduktion. Mit dem Motorenbau von IFA für VW hatten bisher die Wolfsburger das bedeutendste blockübergreifende Kooperationsvorhaben aufzuweisen. Inzwischen gehört die DDR zur BRD, und Fiat wird seiner Erzkonkurrenz auch hier den Rang ablaufen. Aus zwei neuen Fabriken in Süditalien sollen in großem Umfang Motoren für die neuen Werke in der UdSSR geliefert werden.
Die Autos aus diesen drei Projekten tragen dann auch nicht mehr das Lada-Logo, sondern die Fiat- Rauten. Dietmar Bartz
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