: »Bei Gewalt muß der Rechtsstaat ran«
■ Der ehemalige CDU-Bausenator Ulrich Rastemborski findet auch heute, daß sich die CDU 1981 richtig verhalten hat/ Gespräch über die damalige und heutige Situation INTERVIEW
taz: Was sagt Ihnen das Datum 12.12.1980?
Rastemborski: Dezember 1980, das war die letzte Zeit des damaligen Stobbe-Senats, bei dem in der Stadt einiges drunter und drüber ging. Die Probleme mit der Sanierung und dem Wohnungsleerstand hatten sich kulminiert. An das Datum 12.12. kann ich mich nicht präzise erinnern, aber es war wohl im Spätherbst 1980, als erste spektakuläre Hausbesetzungen stattfanden.
Im Vergleich zu Innensenator Lummer galten Sie damals schon fast als liberal, weil Sie sich für eine friedliche Lösungen einsetzten.
Diese Differenzierung der Linien zwischen Lummer und mir habe ich nie richtig gefunden. Wir haben unter Richard von Weizsäcker eine einheitliche Linie in bezug auf die Hausbesetzungen gefahren, wobei wir das Problem nicht speziell als Polizei- und Hausbesetzerproblem allein gesehen haben, sondern es immer in den Kontext von Sanierungs- und Wohungsbaupolitik gestellt haben.
Lummer hat mit seinen Polizeiaktionen bei vielen besetzten Häusern eine Legalisierung torpediert.
Ob die eine Legalisierungschance gehabt hätten, ist umstritten. Wir haben uns immer sehr genau überlegt, ob polizeiliche Schritte erforderlich sind oder die Möglichkeit zu einer anderen Lösung besteht.
Diepgen hat sich im Wahlkampf — nach der Räumung der Mainzer Straße — für die Räumung aller besetzten Häuser in Ost-Berlin stark gemacht. Sind Sie auch dafür?
Ich kann die Vorgänge in Ost-Berlin nicht beurteilen. Ich habe aber den Eindruck, daß es sich dort überwiegend nicht um Besetzungen handelt, die aus Wohnungsnot oder zur Realisierung alternativer Wohnformen stattgefunden haben, sondern daß sich dort ein großes Gewaltpotential angesammelt hat.
Ich halte die Räumung der Mainzer Straße für richtig. Allerdings hätte ich nicht wissen wollen, was die damalige Opposition mit dem Regierenden Bürgermeister, Herrn Lummer und mir veranstaltet hätte, wenn wir eine derartige Aktion losgelassen hätten.
Bei Lummers Räumaktion kam ein junger Mann ums Leben.
Bei Polizeieinsätzen ist ein toter Mensch immer ein tragisches Geschehen, die Schuld daran darf aber nicht dem damaligen Polizeieinsatz gegeben werden. Wir haben unsere Räumung jedenfalls nicht mit dem Wahlkampf verbunden.
Wo sollen die Besetzer denn wohnen, oder bestreiten Sie, daß es eine große Wohnungsnot und viel Leerstand gibt?
Wo sich ein Gewaltpotential angesammelt hat, muß der Rechtsstaat reagieren. Er muß natürlich auch klare und wohnungspolitische Ziele haben. Man kann ein Haus nicht räumen, um es anschließend leerstehen zu lassen. Nutzungsverträge sind da angebracht, wo man zu der Überzeugung kommen kann, hier wollen junge Leute in Selbsthilfe auch wirklich Wohnraum schaffen.
Werden Sie sich für friedliche Vertragslösungen einsetzen?
Ich bin nicht mehr aktiv in der Politik tätig. Ich zweifle aber nicht daran, daß Herr Diepgen die Linie, die von der CDU schon unter Richard von Weizsäcker praktiziert wurde, fortführt. Interview: Plutonia Plarre
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