piwik no script img

Mieterprotest erzwang Auktionsunterbrechung

■ Aufgebrachte Mieter und Vertreter der Hausbesetzer weigerten sich, Auktionsraum zu verlassen/ Auktionator ließ durch Polizei räumen

Mitte. Mit einem massiven Polizeieinsatz wurde gestern abend die erste Auktion von Ostberliner Mietshäusern beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung im ehemaligen »Club der Kulturschaffenden Johannes R. Becher« in Mitte hatten sich vor dem Eingang des Gebäudes Vertreter des Mieterbundes versammelt, um mit einer Flugblattaktion gegen den geplanten Verkauf der Häuser zu protestieren. Unter den zum Verkauf anstehenden Grundstücken befand sich unter anderem auch das Haus Kollwitzstraße 52, deren Bewohner sich erst vor einigen Jahren darangemacht hatten, ihre Behausung selbst wieder instand zu setzen (die taz berichtete).

Der große Musiksaal des ehemaligen Kulturbundclubs, in dem die Auktion unter der Leitung des Westberliner Maklers Hans Peter Plettner über die Bühne gehen sollte, war bereits lange vor Auktionsbeginn hoffnungslos überfüllt. Neben Bietern waren es vor allem Mieter der betroffenen Ostberliner Häuser sowie Vertreter der von Räumungs- und Privatisierungsangst heimgesuchten Hausbesetzerszene, die diesen denkwürdigen Akt miterleben wollten. Da aus diesem Grund einige der später erschienenen potentiellen Käufer keinen Platz mehr im Saal bekamen, forderte Plettner alle »Nichtbieter« auf, den Saal zu verlassen — ansonsten lasse er räumen. Plettner: »Damit habe ich keine Probleme.« Als diese »letzte Aufforderung« Plettners von den Betroffenen der Mietshausauktion mit Protestrufen quittiert wurde, ließ er die Veranstaltung durch die Polizei für geschlossen erklären.

Als daraufhin die meisten der Anwesenden noch immer nicht bereit war, den Platz, an dem ihre Behausungen unter den Hammer kommen sollten, zu verlassen, ging die mittlerweile mit etlichen Einsatzwagen aufgefahrene Polizei daran, die anwesenden Mieter und Hausbesetzer mit roher Gewalt aus dem Haus zu entfernen. Die seit den Ereignissen in der Mainzer Straße offensichtlich völlig enthemmten Beamten traten dabei noch am Boden liegende Personen — darunter mehrere Frauen — in den Unterleib und schleiften sie an den Haaren aus dem Saal. Immer wieder ergriffen die Uniformierten die den Slogan »Keine Gewalt« skandierenden Protestierer, um sie laut Plettners Anweisung »aus dem Saal zu entfernen«.

Der Gang über die Treppe, die von dem in der ersten Etage gelegenen Auktionsraum zum Ausgang führte, wurde für die aus dem Haus Geworfenen zu einer »Spießrutengasse«. Wahllos griffen sich dabei Polizeibeamte einzelne Personen heraus, um sie — die Hände in die Haare der Opfer verkrallt — mit dem Kopf gegen Wand oder Treppengeländer zu schlagen.

Nachdem die Polizeibeamten auf solche Art und Weise die »Ordnung« wiederhergestellt hatten, formierten sich vor dem Hauseingang des Clubs eine Gruppe von fünfzig bis hundert Personen, die mit Sprechchören ihrer Wut Luft machten. Die Protestaktion hielt zu Redaktionsschluß noch an. Ebenfalls war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, ob die Auktion noch fortgesetzt wurde. Olaf Kampmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen