Grüne in Osteuropa

■ Der Krieg gegen die Natur wurde schon gewonnen

Berlin (taz) — Die Umwelt ist überall in Zerstörung begriffen. Besonders aber in Osteuropa. Entgegen den Versprechungen der alten Ideologie, die lediglich in der kapitalistischen Profitwirtschaft die Ursache allen Umweltübels sah, werden jetzt die Folgen der abgeschotteten, von der Öffentlichkeit unkontrollierbaren Herrschaftssysteme mit bedrückender Deutlichkeit offengelegt. Zynisch ausgedrückt, ist der größte Sieg des stalinistischen Sozialismus im „Krieg gegen die Natur“ errungen worden.

Millionenstädte wie Warschau haben keine Kläranlagen, Industriewässer gelangen ungereinigt in die Flüsse, die (Braunkohle-)Kraftwerke entlassen Millionen Tonnen von Staub und Schadstoffen in die Atmosphäre, die Energieverschwendung hat ungeheure Ausmaße erreicht. Die Agrarindustrie setzt hemmungslos auf die chemische Keule und ist dabei nicht einmal in der Lage, genügend Lebensmittel zu produzieren. Und deren Qualität entspricht häufig nicht im mindesten den westlichen Anforderungen. Verseuchte Böden sind von Nordrußland bis in die Niederungen des Donautals zur Regel geworden.

Wenn, wie in Teilen Siebenbürgens, der Neuschnee sich schon nach einer Stunde schwarz färbt, wenn Millionen in den Industriezentren des Urals buchstäblich die Luft zum Atmen genommen ist, wenn durch agroindustrielle Großprojekte der Aralsee austrocknet, wenn das Wasser Leningrads verseucht ist, dann ist ein Niveau der Umweltzerstörung erreicht, das von vielen Menschennicht mehr hingenommen werden kann.

Die politischen Wandlungen in Osteuropa haben auch grüne Bewegungen hervorgebracht, die gegen diese Zerstörungen ankämpfen. Aufgrund der bedrückenden ökonomischen Lage aber arbeiten sie unter erschwerten Bedingungen. Denn in Gesellschaften des Mangels ist die Schließung von Industriebetrieben noch weniger populär als hierzulande. So sind die neuen Regierungen geneigt, in die Fußstapfen der alten zu treten und der Entwicklung der Ökonomie den Vorrang zu geben. Dennoch ist auch in den Gesellschaften Ost- und Ostmitteleuropas Umweltbewußtsein im Entstehen begriffen.

In einer Serie wollen wir jeweils mittwochs Umweltbewegungen aus Osteuropa vorstellen.

Erich Rathfelder