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Verhandlungen im Schatten der Bonner Drohung

■ Hiobsbotschaft aus dem Finanzministerium stand am Anfang der zweiten Runde zur großen Koalition/ Anderslautende Zusage von Kohl und Rühe?/ CDU und SPD benennen ihre Leute für die Arbeitsgruppen — es sind die bekannten Wunschsenatoren

Berlin.Die Gäste waren pünktlich zur Stelle, der Gastgeber kam erst ein wenig später: Gestern um 13 Uhr trafen die Verhandlungskommissionen von CDU und SPD zur ihrer zweiten Runde zusammen. Diesmal hatte der Noch-Regierende Walter Momper seinen Nachfolger eingeladen, die Beratungen dauerten zweieinhalb Stunden. Den Beginn der Sitzung dominierte die Bonner Hiobsbotschaft vom Vortag, wonach bereits ab Juli 1991 die Berlinförderung inklusive der Arbeitnehmerzulage drastisch gekürzt werden soll. Während Momper diesem Punkt später vor der Presse hohe Bedeutung beimaß, versuchte die CDU, die Angelegenheit etwas tiefer zu hängen: Für Momper »hängen Einzelpunkte der Koalitionsverhandlungen solange in der Luft«, als ihre Finanzierung nicht gesichert sei. CDU-Generalsekretär Landowsky berichtete dagegen von einer Zusage aus Bonn, wonach vor Weihnachten nichts mehr entschieden werde und auch noch nichts entschieden sei. Eberhard Diepgen habe dieses Versprechen von Kanzler Kohl und dessen Generalsekretär Rühe erhalten. Momper und Diepgen drängen jetzt auf einen Termin bei Kohl. Ein Treffen vor Weihnachten gilt jedoch als unwahrscheinlich. Bereits heute macht sich eine Berliner Expertenrunde aus beiden Parteien zum Thema Haushalt und Finanzen an die Arbeit.

Im Anschluß an das Finanzproblem wurden von beiden Seiten »Grundsatzpositionen für einzelne Fachgebiete« vorgetragen und zehn Arbeitsgruppen gebildet, die Einzelprobleme erörtern sollen. Jede Seite benannte für jede Arbeitsgruppe einen Verantwortlichen. Zum Teil trifft man hier auf Namen, die bereits seit der Wahl als mögliche SenatorInnen im Gespräch sind. So schickt die SPD für Wirtschaft/Arbeit/Betriebe Fraktionschef Ditmar Staffelt ins Rennen, für Soziales/Familie/ Gesundheit die Parlamentspräsidentin von Ost-Berlin, Christine Bergmann, für Frauen Monika Buttgereit. Die CDU läßt Volker Hassemer den Bereich Stadtentwicklung/Umwelt/Verkehr leiten und den Bezirksbürgermeister von Zehlendorf, Jürgen Klemann die Innenpolitik, Elmar Pieroth trifft auf Ditmar Staffelt. Die Arbeitsgruppen sollen in den nächsten Tagen anfangen, Konsens- und Dissenspunkte zu erarbeiten, die dann am nächsten Mittwoch in der großen Koalitionsrunde anstehen. Ansonsten gingen die Gespräche offenbar nicht in die Tiefe oder besser: »Eindringtiefe«, wie Momper das nannte (siehe nebenstehenden Kasten). Landowsky bezeichnete das Klima als konstruktiv, aber nicht »überschwenglich«. Gleichzeitig kündigte er jedoch an, »daß es im Detail noch erhebliche Probleme geben wird«. Kein Wunder: Der SPD- Parteitag beschloß noch am Wochenende, kein von der SPD beschlossenes Gesetz aus der letzten Legislaturperiode zurückzunehmen.

Weder Momper noch Landowsky verhehlten, daß der Bereich Inneres konfliktreich wird. Als Einzelpunkte wurden Kriminalitätsbekämpfung, Ausländerpolitik, mögliche Visumfreiheit für PolInnen, die Ausrüstung der Polizei, Jugendbanden und verdeckte Ermittlungen benannt. Einvernehmen herrscht nach Mompers Worten allerdings in puncto Berliner Linie. Auch in der Verkehrspolitik ist mit Auseinandersetzungen zu rechnen. Einig war man sich in Fragen des Wohnungsbaus, Ausbau des Schienenverkehrs, einer funktionalen Hauptstadtplanung und einer gemeinsamen Regionalplanung mit Brandenburg. kd

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