Vergnügliches Déjà vu

■ Michael Roemers „Komplott gegen Harry“ — ein 68er Film

Vor zwanzig Jahren hat niemand gelacht. Obwohl Komplott gegen Harry, 1968 gedreht, eine Komödie und wirklich zu komisch ist. „Seine Art von Humor war der Zeit weit voraus“, erklärt das Presseheft. Also floppten die Filmrollen schon vor der Uraufführung ins Regal. Regisseur Michael Roemer, 1939 aus Deutschland nach Amerika emigriert, stand vor einem Rätsel und konzentrierte sich für eine Weile auf Dokumentarfilm.

Erst 1989 wurde endlich gelacht, nicht nur im Familienkreis, sondern auch auf den Filmfestivals in New York, Toronto und Cannes.

Die Geschichte ist einfach. Als Harry Plotnik (Michael Priest) nach neun Monaten Gefängnis wieder nach New York kommt, hat sich die Welt gegen ihn verschworen. Sein illegaler Spielerring geht den Bach runter, und das Herz ist auch nicht mehr so elastisch wie früher. Noch schlimmer wird es, als Harry des Nachts an einer Tankstelle von seiner geschiedenen Frau (Maxine Woods) mit zwei erwachsenen Töchtern bekannt gemacht wird. Im Schlepptau kommt der Rest der rund zwanzigköpfigen Familie, die Harry an die Brust drückt und ihn wieder in die jüdische Gemeinde integriert.

Zwischen rasanten Schnitten hangelt sich Harry muzakberieselt durch das Martyrium. Eben noch bei der schwebenden Ballerina auf der Modenschau, wenig später bei der Beschneidungszeremonie zum Messerwetzen. Schwungvoll geht es bergab, denn Kleinganove, sorgender Familienvater und ehrbares Gemeindemitglied — das kann auf Dauer nicht gutgehen. Achselzuckend spröde (und glücklicherweise nicht synchronisiert) trudelt Harry unaufhaltsam in die Ehrbarkeit und — nachdem er im Fernsehen der Nation halbherzig gebeichtet hat — wieder ins Gefängnis.

In Komplott gegen Harry tritt die Geschichte hinter den Bildern zurück. In schrillem Schwarzweiß führt die Zeitreise in die Sixties. Originalschauplätze porträtieren amerikanische Wirklichkeit. Der Golfplatz neben der Autobahn, die Schickeriaparty in der U-Bahn, Soap-Operas in jedem Wohnzimmer — damals zu nah, um darüber zu lachen. Aufgetürmte Frisuren, poppiges Dekor — heute exotisch genug, um komisch zu wirken.

Wenn Filmbilder zu Zitaten werden, wird Zeitreise zum vergnüglichen Déjà-vu-Erlebnis. Komplott gegen Harry erinnert an frühe Scorsese-Filme und Fotos von Diane Arbus. Dazu wird mit kleinen Gesten chaotisch verstrickt wie bei Woody Allen. Alles und alle sind wundersam naiv und rührend skurril. „This ain't no burlesque“, sagt Harry am Ende zu seinem Freund Leo Perlmutter. Da täuscht er sich. Michaela Lechner

Michael Roemer: Komplott gegen Harry, mit Michael Priest, Ben Lang, Maxine Woods, USA 1968, 81 Minuten, schwarzweiß, OmU