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Koalitionsstreit um Pflegeversicherung

■ FDP und Wirtschaftsverbände wollen lieber „freiwillige Absicherung“/ Voraussichtlich bald Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze für alle Vier- bis Sechsjährigen

Berlin (taz) — In den Koalitionsstreit um die Sozialpolitik hat sich gestern der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, eingemischt. Er unterstützte den Vorschlag von Arbeitminister Blüm, eine gesetzliche Pflegeversicherung einzuführen. Den Liberalen warf Fink vor, sie besäßen nur ein „geringes Maß an Sachkenntnis“. Die FDP fordert statt einer obligatorischen Versicherung eine steuerlich begünstigte freiwillige Absicherung. „Hunderttausende bleiben dann außen vor“, kritisiert Ulf Fink, „zumal in der ehemaligen DDR, wo sich kaum einer freiwillig versichern wird.“ Damit bliebe alles beim alten: Die Krankenkassen und die Sozialversicherung hätten den überwiegenden Teil der Plegekosten zu zahlen. Rund 3.000 Mark kostet ein Platz in einem Pflegeheim. 1.667 Mark Rente bekommt ein Durchschnittsverdiener, bei Frauen liegt der Schnitt weit darunter. Siebzig Prozent der Bewohner von Pflegeheimen finanzieren ihren Aufenthalt also durch die Sozialhilfe. Ihnen bleibt nur ein Taschengeld, egal wie hoch ihre Rente vorher war. CDU und SPD schlagen deshalb vor: Die Krankenversicherung wird um zwei Prozent erhöht, das Pflegerisiko damit für alle abgedeckt. Ein Prozent der Erhöhung müßten die Arbeitnehmer, ein Prozent die Arbeitgeber bezahlen. FDP und Wirtschaftsverbände lehnen dieses Modell ab: für die Firmen zu teuer, lautet ihr Argument. Höhere Lohnnebenkosten würden die Unternehmen in den Ruin treiben. Doch die Allianz zwischen Liberalen und Unternehmern bröckelt bereits. Hans-Dietrich Genscher soll Blüms Vorschlag „gar nicht so schlecht“ gefunden haben.

Arbeitsminister Norbert Blüm kämpft in der Koalitionsrunde nicht nur um die Pflegeversicherung. Er will darüber hinaus allen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, einen Rentenanspruch verschaffen. Fünf Milliarden Mark würde das kosten. Finanzminister Waigel will dagegen die Überschüsse in der Rentenkasse lieber zum Finanzieren der Arbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR verwenden. Auch die familienpolitischen Leistungen sind noch nicht abgesegnet. Voraussichtlich wird die Koalition einen Rechtsanspruch auf Kindergärtenplätze für alle Vier- bis Sechsjährigen beschließen. Zwei Jahre lang (statt bisher 18 Monate) soll der Staat das Erziehungsgeld von 600 Mark zahlen. Im dritten Jahr können Väter oder Mütter dann unbezahlten Erziehungsurlaub nehmen. Die FDP will allerdings für diese Zeit keine Arbeitsplatzgarantie im Gesetz verankern.

Ulf Fink forderte gestern, die ungesicherten Arbeitsverhältnisse abzuschaffen. Vor allem Frauen würden durch Verträge unter der 470-Mark-Grenze um ihre Renten- und Sozialversicherung betrogen. Mindestens drei Milliarden Mark gingen dem Staat verloren, die sollten besser in die Sozialsysteme der neuen Bundesländer gesteckt werden. Zur Finanzierung der deutschen Einheit schlug Fink vor, die Wirtschaft solle ein Prozent ihrer Gewinne in einen Sonderfonds einzahlen. In fünf Jahren kämen so 12,5 Milliarden zusammen. Auch die Arbeitnehmer könnten verpflichtet werden, ein Prozent der anstehenden Lohnerhöhung fest anzulegen. Über 50 Milliarden Mark kämen so an Krediten für die neuen Länder zusammen. Die Forderung, im Westen auf Lohnerhöhungen ganz zu verzichten, nannte Fink „blauäugig“. Keiner könne die Firmen zwingen, das so gesparte Geld in der ehemaligen DDR zu investieren. Tina Stadlmayer

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