Geburt eines neuen Europas?

EG-Regierungschefs wollen in Rom Hilfe für die UdSSR und Reform der Gemeinschaft festklopfen  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Wichtige Ereignisse benötigen den richtigen Rahmen, dachten sich die italienischen Zeremonienmeister und luden die Crème de la crème Europas für heute abend nach Rom zur Oper. Nach Tosca steht ein fürstliches „Souper“ auf dem Programm. Freitag und Samstag wollen die EG- Staatschefs samt ihren Außen- und sonstigen Ministern zur Tat schreiten. Die Neuordnung Europas im Visier, sollen gleich mehrere Probleme auf einen Schlag erledigt werden: Aus Angst vor einer zweiten „russischen Revolution“ soll auf dem Gipfeltreffen der Zwölf am Freitag ein Carepaket für Gorbatschow geschnürt werden. Weil jedoch die dafür vorgesehenen 2,5 Milliarden DM allein nicht ausreichen, die erwarteten „sowjetischen Horden“ abzuschrecken, soll gleich noch die seit längerem diskutierte gemeinsame Asylpolitik festgeklopft werden.

Für Samstag ist der eigentliche Höhepunkt der Politparty vorgesehen: Laut Regieanweisung soll unter dem Beifall aller Beteiligter das neue EG-Europa aus der Taufe gehoben werden. Eine europäische Zentralbank, so der Plan, wird in drei Jahren die wichtigsten Funktionen der nationalen Zentralbanken übernehmen, die gemeinsame europäische Währung ECU die nationalen Währungen zu Sammlerstücken degradieren. Als Krönung ist die Errichtung des politischen Überbaus vorgesehen. Unter dem irreführenden Stichwort „Beseitigung des Demokratiedefizits in der EG“ soll der Europäische Rat mit noch mehr Macht ausgestattet werden. Anstatt das Europäische Parlament von seiner Aschenbrödel-Funktion zu befreien, wollen die Zwölf sich und ihre Minister aufwerten. Schon heute werden rund 40 Prozent aller Gesetze, mit denen sich der Bundestag beschäftigt, nicht etwa von den ParlamentarierInnen, sondern von den diversen EG-Ministerräten in Brüssel beschlossen. Daß sie damit gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, der Trennung von Exekutive und Legislative, verstoßen, stört angeblich nur Urdemokrat Kohl. Nach seinem Willen sollen die EuroparlamentarierInnen mehr Macht bekommen. Allerdings gab auch der Bundeskanzler klein bei, als Mitterrand ihm letzte Woche die Unsinnigkeit seines Begehrens vor Augen führte.

Auch andere Streitpunkte wie die Frage der Integration der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die EG wurden bereits im Vorfeld des Gipfels mit anschließender Regierungskonferenz geglättet oder sollen in den kommenden Monaten geklärt werden. Aus bundesdeutschen Regierungskreisen verlautete, gegen den Vorschlag, die Westeuropäische Union (WEU) als Vehikel für den Ausbau der EG zu einer Sicherheitsgemeinschaft zu benutzen, gebe es keine nennenswerten Widerstände mehr.