CDU-Hinterbänkler gegen Enthüllungen

■ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kalisch fordert Schutz vor Enthüllungsjournalismus — für de Maizière

Berlin/Bonn. Kurz bevor er von der politischen Bühne in Bonn abtritt, fühlt sich ein Berliner Bundestagsabgeordneter bemüßigt, mit einem flammenden Pamphlet auf sich aufmerksam zu machen: Joachim Kalisch, für die Berliner CDU seit 1980 im Bundestag, verblüffte gestern mit einem Schreiben »Wider die Exzesse des Stasi-Enthüllungsjournalismus«. Besonders am Herzen liegt dem jahrelangen Hinterbänkler sein Parteifreund Lothar de Maizière, dessen Ruf durch die 'Spiegel‘-Veröffentlichungen »ruiniert« sei.

Kalisch, dem rechten Flügel der CDU zuzurechnen, fragt sich eingangs besorgt, »wie lange gewisse Kreise mit der tröpfchenweisen Enthüllung angeblicher Stasi-Mitarbeit unserem Gemeinwesen Schaden zufügen können«. Die Konsequenzen für unseren aufrechten CDU-Mann liegen auf der Hand: Er fordert eine »politische Lösung, die geeignet ist, den Betroffenen vor willkürlichen Verdächtigungen zu schützen«. »Geeignet« erscheint ihm hier ein »besonderer Strafrechtsschutz gegen unbefugte Veröffentlichungen aus oder auf der Grundlage von Akten des Staatssicherheitsdienstes«. Doch damit nicht genug, plädiert Kalisch auch für eine Einschränkung der Pressefreiheit. Zwar sei sie in der Demokratie »ein hohes Gut«, aber sie dürfe nicht auf Kosten der Menschenwürde verwirklicht werden. Die Medien sollen seiner Vorstellung nach zu einem sorgfältigeren Umgang mit Stasi- Akten veranlaßt werden, »indem für unbefugte Veröffentlichungen aus oder aufgrund von Stasi-Akten über bespitzelte Personen besondere Schadenersatzansprüche und Widerrufsrechte« geschaffen werden. Der Gesetzgeber, dem der wackere Kämpfer in der neuen Legislaturperiode nicht mehr angehören wird, wird aufgefordert, hier die nötige Klarheit sprich die entsprechenden Gesetze zu schaffen.

Seine Fachkenntnis zum Thema hat sich der Abgeordnete vermutlich im Bonner Innenausschuß verschafft, wo er nach Auskunft von anderen Abgeordneten nie ein Wort gesagt hat. In der Hauptstadt sei er als »Schmierlappen« bekannt, so ein Abgeordneter zur taz, der mit ihm im Ausschuß saß. Der 60jährige Kalisch, der im Bundestagshandbuch als »Großhandelskaufmann« geführt wird, war stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Union, Mitglied des CDU- Vorstandes und Bezirksstadtrat in Tempelhof, bevor er nach Bonn wechselte. Um seinem Hinterbänklerdasein etwas mehr Glanz zu verleihen, ließ er sich ähnliche Aktionen schon mehrfach einfallen. So sorgte er sich Ende 1989 um den Ruf der Deutschen in Irland. Er hatte beobachtet, daß »das irische Fernsehen fast regelmäßig Kriegsfilme zeigt, die die Deutschen als Verbrecher und charakterlich schlechte Menschen darstellt«, und alarmierte das Auswärtige Amt. An die Öffentlichkeit trat Kalisch auch nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Gemeinsam mit anderen Unionschristen witterte er Morgenluft für einen alten Traum, den Ausbau des Zivilschutzes. Er forderte ein neues Zivilschutzgesetz mit »obligatorischem Schutzraumausbau«. Denn jetzt setze sich unter den Bürgern die Erkenntnis durch, »daß ein Krieg auch nur die extreme Situation einer Reihe anderer denkbarer grenzüberschreitender Katastrophen ist«, erkannte Kalisch damals, und deswegen seien Bunker absolut unverzichtbar. Kordula Doerfler