: Ein Kessel Buntes für die ARD
ARD ab morgen auf DFF-Frequenz/ Neues Programmschema für die DFF-Länderkette/ Beliebte Sendungen bleiben erhalten/ Mittagsmagazin und Abendjournal mit Schwerpunkt Ostdeutschland ■ Aus Berlin Ute Thon
Mittagsmagazin, Abend- und Spätjournal mit neuen Logo und neuen Köpfen, Spitzensport, neue Fernsehfilme, Marilyn Monroes Kußmund verheißt aufregende Spilfilme, und „bei der Unterhaltung steigt die Spannung am Wochenende bei Gudruns Tierquiz... Ein rundes Programm mit Ecken und Kanten.“ Ganz so, als wäre das ehemalige DDR-Fernsehen nicht dem Untergang geweiht, sondern stünde vor einer neuen Ära, präsentierte DFF-Intendant Michael Albrecht und der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl vorgestern im Studio A in Berlin Adlershof eine videogebeamte Trailershow, die den rund 200 anwesenden JournalistInnen das neue Programm der DFF-Länderkette schmackhaft machen sollte.
Denn, so hat der Rundfunkbeauftragte im Einvernehmen mit den Adlershofer Fernsehmacher entschieden, morgen wird DFF 1 abgeschaltet, und statt dessen sendet auf dieser Frequenz die ARD ihr Gemeinschaftsprogramm zukünftig für ganz Ostdeutschland in „bester Qualität“. Damit zieht die ARD mit zweiwöchiger Verzögerung wieder auf gleiche Position mit dem ZDF, das bereits ab 2. Dezember auf einer bislang ungenutzten dritten Sendekette im Osten ausgestrahlt wird. Aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen — die fünf neuen Länder müssen dem ZDF- Staatsvertrag noch beitreten — läuft die Ausstrahlung unter dem Stichwort „Betreibsversuch der Deutschen Bundespost“. Gleichzeitig startet morgen auf der zweiten DFF- Frequenz die DFF-Länderkette, die aus beliebtesten Elemente der bisherigen beiden DFF-Programme und neuen Sendeformen bestehen soll.
Zentrales Element des neuen Programmschemas, das wochentags um 8 Uhr mit dem Schulfernsehen beginnen wird, soll Das Abendjournal (18.30 bis 20 Uhr) werden. Die anderthalbstündige Magazinsendung will durch aktuelle Berichte aus den ostdeutschen Bundesländern, durch Studiogespräche, Live-Schaltungen, Sport- und Kulturspots und „Ratgeberteile“ das Publikum ansprechen. Als Moderatorenteam wurden laut Presseinformation eine „charmant-frische 26jährige Blondine“ und ein „im Sternbild des Schützen geborener, 1,89 m großer dunkelblonder Berliner“ (die Ansagerin Katrin Müller und der ehemalige AK-Zwo-Sprecher Raiko Thal) angeheuert. Innerhalb des Abendjournals gibt es ab 19.30 Uhr Nachrichten unter dem neuen Titel Aktuell: „12 bis 13 Minuten knappe, aktuelle, seriöse Informationen aus den Ländern, sowie Korrespondentenberichte aus Bonn und Berlin.“ Weltnachrichten spielen in Zukunft auf der Länderkette nur eine untergeordnete Rolle. Dafür ist offensichtlich nun die Tagesschau und heute zuständig. Damit gibt es heute auch ein letztes Wiedersehen mit den Nachrichtensendungen AK und AK Zwo. Was aus den MitarbeiterInnen wird, ist weiterhin unklar. Ein Teil des Personals wird in den Redaktionen Aktuell, des Mittagsmagazins oder dem Spätjournal, die für die neue Länderkette geplant sind, unterkommen, jedoch, so ließ Intendant Albrecht durchblicken, den Personalbestand der AK werde es so nicht mehr geben. Insgesamt hat der DFF in diesem Jahr schon etwa 1.200 MitarbeiterInnen entlassen müssen, weitere 1.500 werden im nächsten Jahr folgen, kündigte Albrecht an, so daß man 1991 noch mit einem Personalbestand von zirka 3.500 Männern und Frauen rechnet. Dieser Stab müsse jedoch noch weiter „abgeschmolzen“ werden, unterstrich Mühlfenzl. Ein Teil der Fernsehleute könne neue Aufgaben in den zukünftigen Landesrundfunkanstalten finden, jedoch werde man angesichts der politischen Altlasten genau darauf achten, daß „die richtigen Leute an den Schalthebeln sitzen“, führte der Rundfunkbeauftragte aus.
Nicht um seine Existenz fürchten muß hingegen der „Sandmann“. Über 30 Jahre fester Programmbestandteil des DDR-Fernsehen, werden die Gute-Nacht-Geschichten des schweigsamen Männleins mit dem Ulbricht-Bart auch in die neue DFF- Länderkette übernommen. Der Rundfunkbeauftragte, der sich wegen seiner CDU-nahen Medienpolitik allerhand Vorwürfe gefallen lassen mußte, erhielt für diese Entscheidung am Mittwoch ein besonderes Lob. Zwei Männer im Nikolauskostüm überbrachten Mühlfenzl Säcke mit Zuschauerpost, deren Absender sich alle für Erhalt des Sandmanns einsetzten. In der nicht etwa satirisch gemeinten Aktion beglückwünschten die beiden Weihnachtsmänner den Rundfunkbeauftragten als Retter des Sandmännchens, der in diesem Sinne weitermachen solle.
Zur Übernahme des Ersten Deutschen Fernsehens auf die DFF-1- Kette sagte der ARD-Programmdirektor Dietrich Schwarzkopf, daß es sich dabei nicht, wie der ARD von verschiedenen Seiten vorgeworfen würde, um eine Frequenzuteilung handeln würde, sondern um eine Programmübernahme. Die ARD habe damit lediglich dem Wunsch des DFF entsprochen, ihr Gemeinschaftsprogramm für die Frequenz zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug dazu erklärte sich die ARD bereit, schon jetzt Beiträge des DFF in ihr Programm zu übernehmen. In den nächsten Monaten bekommen die ARD-Zuschauer als „Ostimporte“ Unterhaltungssendungen wie Ein Kessel Buntes oder musikalische Reisen durchs Vogtland (Plauener Spitze) geboten, und im Vormittagsprogramm der ARD wird künftig nach DFF-Anleitung geturnt. 57 Folgen des Gymnastikmagazins Medizin nach Noten sind vorerst eingeplant. Weitere ARD-Übernahmen in den kommenden Monaten sind eine Elf-99-Produktion (Trabbi-Deutscher), eine Klartext-Reportage über Tschernobyl sowie einige Fernsehfilme. In dem Regionalfenster des ARD-Gemeinschaftprogramms zwischen 17.25 und 20 Uhr wird der DFF eine eigenes Länderschiene gestalten.
Da der DFF kein Mitglied der ARD ist, übernehmen einzelne ARD-Anstalten die „Patenschaft“, das heißt die senderechtliche Verantwortung für jene DFF-Beiträge, die noch kurzfristig ins fertige ARD- Programmschema aufgenommen wurden. Widerstände aus einzelnen ARD-Anstalten, die dafür ja auf die Ausstrahlung eigener Beiträge verzichten müssen, habe es nicht gegeben, betonte Schwarzkopf. Auf eine festgelegte Quote an Programmanteilen kann der DFF trotzdem nicht pochen. Erst wenn die neu zu gründenden Rundfunkanstalten in den östlichen Bundesländern offizielle Mitglieder im ARD-Verbund geworden sind, müssen die Programmquoten, die zudem auch den Schlüssel für die Gebührenverteilung darstellen, neu festgelegt werden. Schwarzkopf rechnet damit erst Ende nächsten Jahres.
Probleme bereiten den ARD-Verantwortlichen die Werberegelungen des DFF. Im Frühjahr hatte der Sender noch unter dem Übergangsintendanten Hans Benzien ein ARD-Angebot ausgeschlagen und statt dessen einen Vertrag mit der privaten Marketinggesellschaft IPA geschlossen, der Werbung nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen erlaubt. Das will Mühlfenzl jetzt unterbinden. Während er sich für eine strikte Anpassung des DFF an bestehende Regelungen von ARD und ZDF ausspricht — im künftigen ARD-Programm auf der DFF-1-Frequenz wird es keine Werbung nach 20 Uhr geben —, ist Intendant Albrecht zögerlich. Zwar strebe man eine Angleichung an öffentlich-rechtliche Werberegelungen an, aber Vertrag sei nun mal Vertrag. Man stehe mit der IPA in Verhandlung. Offiziell bestehen die vertraglichen Verpflichtungen mit dem französischen Werbeunternehmen noch bis Ende 1991.
Morgen abend jedenfalls um exakt 19.58 Uhr wird die neue Fernsehära eingeläutet. Nach der Tagesschau wird ein gutgelauntes Moderatorenduo in ausgewogenster ARD/ DFF-Besetzung unter dem Berliner Funkturm das Adventskonzert aus Cottbus (Die Musikanten sind da) ankündigen. Und 80 Prozent der „Ostglotzer“ können von da an wählen, ob sie Kulis Nachtgedanken nun auf dem Ersten West oder dem Ersten Ost sehen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen