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„Im halbdunkeln geblieben“

■ Schwurgericht Aachen erkannte lückenlose Indizienkette für Mordanschlag auf den Führer der syrischen Moslembruderschaft/ Richter warf der Polizei „mangelhafte“ Arbeit vor/ Saad A. bekam „lebenslänglich“

Aachen (taz) — „Jeder vernünftige Zweifel ist ausgeschlossen“, befand gestern das Landgericht Aachen und verurteilte den Syrer Saad A. wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Haft. Einen solchen Schuldspruch hätte zu Beginn des Verfahrens niemand bezweifelt. Nach der Beweisaufnahme und dem Auftauchen teilweise haarsträubender polizeilicher Ermittlungsfehler und merkwürdiger Zuarbeit diverser Geheimdienststellen löste die Selbstverständlichkeit, mit der das Gericht den Syrer für überführt hielt, doch einige Überraschung aus.

Saad A. wurde für schuldig befunden, am 17. März 1981 — mit zwei nicht gefaßten Komplizen — die Ehefrau des obersten Repräsentanten der radikalen syrischen Moslembruderschaft, Issam el-Attar, in Aachen erschossen zu haben. Der Anschlag galt offenkundig dem umstrittenen Exilpolitiker selbst. In dem Prozeß wurde zweifelsfrei bewiesen: Saad A. war in den Tagen vor der Tat in Aachen. Bei der Anmietung des Tatfahrzeuges war er beteiligt. Aber je näher Tatort und Tatzeit rückten, desto vager wurden die Zeugenaussagen. Das Gericht jedoch sah „den Kreis lückenlos geschlossen“, daß er und kein anderer der dritte Mann gewesen ist. Ob Saad A. tatsächlich im Auftrag des syrischen Geheimdienstes an der geplanten Liquidierung von el-Attar beteiligt war, dazu konnte die Kammer „zu keinen Erkenntnissen gelangen“.

Der Verteidiger, Wolfram Strauch, forderte einen Freispruch mangels Beweisen und warf den Ermittlern „klassische Zirkelschlüsse, Unterlassungen, Ungereimtheiten und schlichte Fehler“ vor. Wenn Saad A. wirklich ein vom Regime Assad bestellter Killer sei, hätte er wie die beiden anderen namentlich bekannten längst eine andere Identität bekommen und wäre nicht unter seinem wirklichen Namen trotz internationalen Haftbefehls arglos durch Europa gereist, bis er verhaftet wurde. Aber ein Freispruch wäre eine schallende Ohrfeige gewesen für die schlampige Polizei, deren Arbeit sogar der Richter das Prädikat „mangelhaft“ zusprach, für den Staatsschutz, die Staatsanwaltschaft und die vielen Prozeßzuschauer aus dem Aachener Islamzentrum, die das Urteil gegen den vermeintlichen Feindagenten des verhaßten Assad- Regimes mit sichtlicher Genugtuung quittierten. Anwalt Strauch reagierte auf den Schuldspruch mit sichtlicher Frustration. Wenn es ihm gelungen wäre, einige Verwandte und Bekannte seines Mandanten zur Aussage zu überreden, sagte er, hätte das Verfahren „sicher einen anderen Verlauf genommen“. Doch die Entlastungszeugen hätten alle „schreckliche Angst vor den Moslembrüdern gehabt“. Auch wenn einige neue Widersprüche um el-Attar und sein Islamzentrum ans Tageslicht kamen, sei doch vieles „im halbdunkeln geblieben“. Bernd Müllender

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