Senatsbeamte tauschen Klimaanlage gegen Kakerlaken

■ Einige Senatsverwaltungen müssen in den Ostteil der Stadt übersiedeln/ Vor allem die Bediensteten der Senatsverwaltung für Umweltschutz plagt der Gedanke, die Lindenstraße verlassen zu müssen/ Kulturverwaltung zieht aus dem Europa-Center und muß demnächst ohne Klimaanlage auskommen

Berlin. In den Bürogebäuden im Ostteil der Stadt bietet der Behördenalltag allerlei Abwechslung. »Drei große Ungezieferverfolgungsaktionen habe ich miterleben dürfen«, erinnert sich Magistratssprecher Christian Hoßbach an seine sieben Monate im Roten Rathaus. Die Kakerlaken und anderes vielbeinige Getier seien wohl ziemlich resistent, schlußfolgert der Sprecher.

Kakerlaken hin, Küchenschaben her: spätestens im Sommer wird die Senatskanzlei von Schöneberg in das Rote Rathaus umziehen. Und geht es nach den Beamten in der Senatsinnenverwaltung, dann werden bald vier weitere Senatsbehörden Gelegenheit haben, im wilden Osten ihre insektenkundlichen Kenntnisse zu erweitern. Durch die Zusammenlegung von Senats- und Magistratsverwaltungen würden viele Dienstgebäude im Westen zu klein, meint des Innensenators oberster Raumplaner Werner Droege. Zudem könne der Regierungsapparat schon aus Gerechtigkeitsgründen nicht vollständig im Westen verbleiben.

Noch stehen die Umzugstermine jedoch nicht fest. Geht es nach Droege, dann muß die Senatswissenschaftsverwaltung den bisherigen Sitz in der Charlottenburger Bredtschneiderstraße der Schulverwaltung überlassen und in die Behrensstraße 42/45 ausweichen.

Die Kulturverwaltung soll ihre sieben Etagen im Europa-Center räumen und eine neue Residenz in der Parochialstraße erhalten. Vom Fehrbelliner Platz in die Klosterstraße 59 schließlich soll das Landesamt für zentrale soziale Aufgaben (LASoz) wechseln. Die großen und einflußreichen Ressorts dagegen — die Innenverwaltung selbst und die Ressorts für Bauwesen, Finanzen, Wirtschaft und Justiz — dürfen im Westen bleiben.

Die Beamten, die in den Osten verschickt werden sollen, befürchten längere Dienstwege. Leitungen für Telefon, Telefax und Datenübertragung fehlten in den Ostbauten zum Teil. Darüber hinaus müssen die Beamten nicht nur um ihre gewohnte Umgebung fürchten, sondern auch ums liebe Geld. Die Berlinzulage wird nur im Westteil der Stadt ausgezahlt. Bei einer Abordnung in den Osten fiele sie nach einem Jahr Übergangsfrist höchstwahrscheinlich weg, räumt auch Droege ein. Und immer noch gilt das Arbeitsplatzprinzip: im Osten werden im Schnitt nur vierzig Prozent der Westgehälter bezahlt.

Am schlimmsten trifft es die 700 Mitarbeiter der Senatsumweltverwaltung, die jetzt zum größten Teil in einem gründerzeitlichen Prachtbau in der Kreuzberger Lindenstraße residieren. Während Wissenschaftsbehörde, Kultur- und Sozialverwaltungen in den Bezirk Mitte verpflanzt werden, sollen die Umweltschützer an den Ostrand der Innenstadt abgeschoben werden: in ein Plattengebäude in der fernen Storkower Straße im Stadtbezirk Prenzlauer Berg.

Schon gehen Gerüchte um, das Haus in der Storkower Straße sei asbestverseucht. Einige Umweltbeamte kennen den Bau bereits, weil dort zeitweise die Magistratsumweltverwaltung residierte. Sie berichten Schlimmes: Im Winter sei der Plattenbau seiner vielen »Fugen und Ritzen« wegen ständig »überheizt«, im Sommer sei es die Sonne, die daraus einen Brutkasten mache. Und öffne man zwecks Lüftung die Fenster, dann dröhne die nahegelegene S-Bahn jedes Gespräch erbarmungslos nieder.

In Ostberliner Augen wirken diese Bedenken leicht befremdlich. Die Westler seien in der Lindenstraße von »Marmor und Messing« umgeben und deshalb wohl etwas »verwöhnt«, meint Beate Felsch, die als Sprecherin der Magistratsumweltverwaltung bereits in der Storkower Straße gearbeitet hat. Und Raumplaner Droege merkt an: Für das Gebäude in der Lindenstraße müsse der Senat eine »enorme Miete« an einen privaten Eigentümer zahlen, die Rede ist von jährlich zwei Millionen. Ein Umzug in die Storkower Straße könne dem Steuerzahler deshalb viel Geld ersparen.

Im Interesse des Steuerzahlers wäre auch der Umzug der Kulturverwaltung, für die im Europa-Center ebenfalls eine hohe Miete bezahlt werden muß. Mit Begeisterung blickt aber auch dort niemand dem neuen Dienstsitz in der Parochialstraße entgegen. Das Haus im Osten, hat Kultursprecher Uli Zawatka festgestellt, »ist in einem durchaus sanierungsfähigen Zustand«. Freilich verbindet er auch Hoffnungen mit dem Umzug in den Osten. Dort könnte man nämlich auf die Vorteile klassischer Techniken zurückgreifen: Im Europa-Center dürfen die Fenster nicht geöffnet werden, die Räume werden von einer Klimaanlage belüftet, die ständig ausfällt.

In der Umweltbehörde dagegen will man die Lindenstraße energisch verteidigen [Hallo, Benny Beimer! — d. CvD.]. Eine Behörde mit viel Publikumsverkehr sei auf eine zentrale Lage angewiesen, argumentieren die Umweltschützer. Das Haus in der Storkower Straße müsse ja trotzdem nicht leerstehen, heißt es: »Das ist doch ein ausgezeichneter Standort für die Innenverwaltung.« Hans-Martin Tillack