piwik no script img

Kalifornien

■ betr.: "Ein Mythos ght baden", von Mathias Mellinghaus, taz vom 8.12.90

betr.: „Ein Mythos geht baden“ von Mathias Mellinghaus,

taz vom 8.12.90

Mit soviel Undifferenziertheit und bornierter Ignoranz, wie sie aus den Zeilen dieses „Reiseberichtes“ tropft, kann man eigentlich nur noch Mitleid haben. Wer die Faszination Kaliforniens an seinen, zugegebenermaßen nicht immer vom Hocker reißenden, Stränden glaubt finden zu müssen, der ist schlicht auf der falschen Fährte. Wer aber nicht in der Lage ist, sie dort zu finden, wo sie tatsächlich bisweilen mehr als atemberaubend ist, der hat das Geld für sein Flugticket leider umsonst verschwendet. Simon Gail, Aachen

Matthias Mellinghaus scheint bei der Fahrt von San Francisco nach Los Angeles immer nur nach rechts aufs Meer gegafft zu haben. Denn über so interessante Städte wie San Francisco erfährt der Leser nichts, außer daß das Wasser kalt ist. Hätte Herr Mellinghaus einmal seine Nase in einen Reiseführer gesteckt vor seiner Reise, hätte er keine Luftblase schreiben müssen. Denn der Mythos ist höchstens einer, wenn man California nur aus den Songs der Beach Boys kennt.

Ansonsten kein Wort über das Schauspiel des Nebels, der durch die Golden Gate Bridge wabert, bei Big Sur kein Wort über die eigenartige Mischung von Cowboy- und Hippie- Romantik und die Henry-Miller- Bibliothek. Bei Santa Barbara fällt dem Herren nur auf, daß er in Kneipen einen Paß brauchte. Ich brauchte keinen, als ich dort war, selbst in den abgefahrensten Kneipen nicht. Kein Wort außerdem davon, daß die Küste vor Santa Barbara ein ausgezeichnetes Panorama auf Ölbohrtürme bietet und daß das für die Kalifornier ein größeres Problem ist als die Frage, ob man außerhalb der geräumig angelegten Campingplätze zelten darf und ob man sich am Strand mit Alkohol vollaufen lassen darf. In einem Land mit extremer Trockenheit im Sommer ist wildes Zelten immer ein Risiko (siehe die diesjährige Brandkatastrophe um Santa Barbara).

Mein Vorschlag: Gebt Herrn Mellinghaus den „Sauren Luftballon“ für den überflüssigsten Artikel dieses Jahres in Eurem Blatt.

P.S. Ich wollte es zuerst nicht, aber bei einem schlechten Schüleraufsatz sei eine oberlehrerhafte Bemerkung angebracht: Die Ursache für den badengehenden Mythos ist natürlich nicht der Golfstrom, wie der Schreiber angeblich von einem (einheimischen?) Zeitgenossen erfahren hat. Denn der fließt auf der anderen Seite Amerikas von der Karibik nach Europa und beschert Irland zum Beispiel Palmen. Die Ursache für das kalte Wasser in Kalifornien ist der Humboldtstrom, eine kalte Meeresströmung, die sich an der gesamten Westküste des Doppelkontinents Amerika entlangzieht. Manfred Heinfeldner, Stuttgart

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen