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Das Team aus der Retorte

■ Das beste Handballteam der Welt kommt aus Wien Kapitalismus im Sport ist unbesiegbar und ungerecht PRESS-SCHLAG

Pappa, koafst mir a poar G'spielinnen?“ muß die hübsche Wienerin Karin Prokop irgendwann Mitte der achtziger Jahre ihren Vater gefragt haben. Gunnar Prokop suchte sowieso gerade eine richtig große Bewährungsprobe für den Rest seines Lebens, da kam ihm der Wunsch seiner heute 24jährigen Tochter gerade recht. Die Geburt des besten Frauenteams der Welt war beschlossene Sache.

Das finanzielle Problem löste Herr Prokop mit Hilfe der ihm eng verbundenen Wiener Hypobank. Als Dank an die Bank entstand der Vereinsname: Hypobank Südstadt Wien. Das sportliche war ein größeres Problem, da das Ski-und-Rodel-Land Österreich nicht gerade reichlich mit begnadeten Handballerinnen gesegnet ist. So schweifte der Blick des Managers Prokop weiträumiger durchs östliche Europa, wo sich eine ganze Menge junger Frauen fanden, die es nach Wien zog und die außerdem noch perfekt Handball spielen konnten.

Blieb noch ein politisches Problem. In Österreichs Vereinen dürfen nur jeweils zwei Ausländer eingesetzt werden. Herr Prokop schleppte aber gleich eine ganze Mannschaft an. Was kein Problem war — dank Frau Prokop. Die Liesel hatte es als ehemalige Fünf- Kampf-Europameisterin inzwischen zur Kultusministerin in Niederösterreich gebracht. Einbürgerungen, die sonst Monate dauern, vollbringt sie in drei Tagen. Die jugoslawische Torhüterin Djukic wurde erst zwei Tage vor der Weltmeisterschaft in Südkorea zur Östereicherin gebürgert.

Die Stammbesetzung von Hypobank ließt sich heute wie eine sorgfältig zusammengestellte Weltauswahl: Racz (Ungarn); Zurowska (Polen), Merdan, Jez, Bozovic (alle Jugoslawien), Godor (Ungarn) und Unger (siehe da: Österreich). Es entstand ein Team, dem im Vereinsfrauenhandball in Austria, Europa und der Welt keiner das Wasser reichen kann.

Es konnte sich keiner mehr so recht an die letzte Niederlage in der nationalen Liga erinnern. Trainer Sandor Vass, Exauswahlcoach Ungarns, tippt auf vier Jahre: „Kann aber auch ein Unentschieden gewesen sein.“ In den letzten Spielserien gab es jedenfalls keine Minuspunkte, obwohl die Hypobänklerinnen ständig nur mit vier statt sechs Abwehrspielerinnen agieren und die beiden anderen an der Mittellinie stehen.

Ganz so groß ist ihre internationale Überlegenheit noch nicht. Als Wien 1988 erstmals in das Europacupfinale der Landesmeister einzog und dort Seriensieger Spartak Kiew unterlag, sprachen alle noch von einer Überraschung. Aber 1989 und 1990 verschwanden die Europacups schon in den Safes der Hypobank. „Wir wollen den Cup öfter holen als Kiew“, soll Manager Prokop unter vorgehaltener Hand verkündet haben. Der ehemalige DDR-Auswahltrainer Klaus Franke, der jetzt in Wien die Nachwuchsmannschaft betreut, ist überzeugt: „Das schafft der auch.“

Das Konzept scheint sportlich aufzugehen. Taucht eine talentierte Spielerin in Osteuropa auf (neueste Verpflichtung: eine Torhüterin aus Kiew und die Jugoslawin Antic), wird sie eingekauft und mit Arbeitsvertrag und Eigentumswohnung an Wien gebunden. Die Zweiklassengesellschaft ist unübersehbar. Die Stars arbeiten wie Vollprofis. Die Nachwuchsabteilung von Hypobank, mit der halben Juniorenauswahl Österreichs bestückt, wird vernachlässigt. Die Geister, die Karin Prokop rief, sind ihr sportlich längst über den Kopf gewachsen. In wichtigen Spielen wird sie kaum eingesetzt.

Die 17jährige Sandra Mamoli kann sich deshalb auch nur bis zum Juniorenalter motivieren. Die Tochter eines wohlhabenden Ärztepaares gehört nach einer Untersuchung zu den fünf intellegentesten Mädchen des Alpenlandes. Ihre Klugheit riet ihr, zwei Wochen vor den Weltmeisterschaften abzusagen. „Ich spiele wegen der Erfolgserlebnisse, wenn die ausbleiben, habe ich keine Lust mehr.“ Der fünfte Platz von Seoul ist zwar für Österreich ein riesiger Erfolg, täuscht aber über die Tatsache hinweg, daß kaum Österreicherinnen an ihm beteiligt waren. Hagen Boßdorf

P.S. Beim Internationalen Turnier in Berlin blieben die besten Wienerinnen zu Hause und prompt schied Hypobank am Samstag in der Vorrunde aus.

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