SOZIALPERFORMER VONMATHIASBRÖCKERS

Ein 'dpa‘-Foto von Björn Engholm und Justus Frantz regte Eckhard Henscheid 1989 zu folgender „Nachbetrachtung“ an: „... Zweifellos, es zeigt uns zwei Gestörte. Aber zwei solche, die sich mögen. Und das verwundert ja doch nicht wenig. Denn noch vor Jahresfrist, so munkelt's, mißachteten und fürchteten sie einander. Der eine fürchtete um seine angestammten Barschel-Pfründe, der andere bangte ob eines Gesichtsverlustes als Erneuerer. Jetzt aber, Frühjahr 1989, stecken sie die Köpfe zusammen, neigen einander traut das Ohr und tuscheln traulich — und dies ganz offen vor der international geladenen Presse. Der Pianist rechts lächelt dabei ein bißchen playboymäßiger und zugleich intimer — des Ministerpräsidenten lausbübisches Lächeln läßt definitiv darauf schließen, daß nicht nur alle Spekulationen über angebliche Unstimmigkeiten pure Spekulation sind. Sondern, daß B. Engholm damit, mit dieser Kamerabewegung, seinen über die Gewerkschaft eingeleiteten zweiten Bildungsweg, welcher ihn zwischenzeitlich schon mit so vielen Künstlern und sonstigen Schöpferischen ins Zwiegespräch und Benehmen gebracht hat, endgültig abgeschlossen, ja ihm praktisch jetzt die Krone aufgesetzt hat. Mögen sich die beiden? Aber immer schon. [...] Zwei Schlawiner? Nein. Eher schon zwei selbander wechselseitig zugeneigte Erwählte, deren sich einander zuneigendes Herrschaftswissen soeben in schiere Liebe aufging. Anders ist Engholms süßverquältes Lächeln nicht zu deuten. Hat der Klavierspieler gerade zu ihm ,Du bist echt süß, Björn!‘ gesagt — und der Sozialdemokrat freut sich darüber, weil er das an Justus auch so mag? [...] Oder aber sind die beiden einfach nicht mehr ganz dicht? Allzu berauscht von der seitens Engholm wiederholt so genannten und eingeklagten ,neuen politischen Kultur‘? Genug, des SPD- Mannes etwas verzwicktes, ja geradezu verzwacktes und verknautschtes, dabei recht absentes, ja abwegiges Schmunzelgrinsen verrät, daß ab sofort Polen wieder offen ist; so oder so.“

„Was ist eigentlich der Herr Engholm für einer?“ frug dieses Blatt in der Frühphase des Kiel-Skandals 1987 ahnungsvoll. Die Frage reckt ihre Wucht inzwischen so steil in die Lüfte, daß es schon fast zum Himmel plärrt. Das Blatt war 'Titanic‘, wiederabgedruckt wurde die treffliche Analyse in der jüngsten Sammlung Henscheidscher Glossen (Hoch lebe Erzbischof Paul Casimir Marcinkus!, Haffmans-Verlag), und neuerdings aktuell durch die Kür Engholms zum SPD-Vorsitzenden. Als Hoffnungsträger soll der megasympathische Strahlemann nicht einfach den aktenstaubtrockenen Bedenkenträger Vogel ablösen, sondern insgesamt der darbenden Partei als Sozialperformer zu neuem Dynamikimage verhelfen. Was er für einer ist, der Herr Engholm, muß unterdessen auch drei Jahre nach der ersten Fragestellung offenbleiben, mir jedenfalls fällt, angesichts des nach wie vor änigmatisch „absenten, ja abwegigen Schmunzelgrinsens“ keine passable Antwort ein.

Womit nicht gesagt sein soll, das Lächeln dieses Sympathen sei so rätselhaft wie die Sphinx. Aber wie begegnet man einem, der sein Deeskalationsarsenal auf derartige Overkill-Kapazität hochgerüstet hat, daß die Kontaminierung durch Sympathiestrahlung eigentlich schon längst auf der nach oben offenen Engholm-Skala gemessen werden müßte?

Als Lord Knud noch RIAS-Moderator war und wieder mal ein paar Sprüche brauchte, kam er eines Nachmittags zu Wolfgang Neuss: „Mensch Wolfgang, ich bin so was von mies gelaunt heute und hab' gleich zwei Stunden Sendung, wie soll ich denn da die Leute gut drauf bringen?“ Neuss: „Na denn legste am Anfang gleich so los: Parole des Tages heute — Lächeln Lächeln Lächeln, ab 5 Uhr 45 wird zurückgelächelt!“ Bis Knuds Kassettenrecorder eingeschaltet war, hatte Neuss das Exposé des knall-sympathischen Blitzkriegs schon weitergesponnen, und als der Moderator nach einer halben Stunde begeistert abzog, rief er ihm nach: „Und denk dran, am Anfang: Lächeln Lächeln Lächeln.“ Kurze Zeit später schalten wir das Radio ein. „Hallo Leute, hier ist wieder RIAS Berlin, am Mikrophon Lord Knud, und der hat auch gleich die Parole des Tages: „Lächeln Lächeln Lächeln — ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen.“

Bis wir uns von der Lachexplosion erholt hatten, lief im Radio schon die erste Musik. Ob und wie sich der arme Junge — ältere Semester erinnern den Lords-Hit Poor Boy, „life is very hard to stay-ay-ay-ay-ay“ — aus diesem Schlammassel herausschraubte, entzieht sich deshalb meiner Kenntnis. Lord Knud jedenfalls hatte fortan den Titel „Pointentöter Nummer eins“ — und wir haben die einzig mögliche Antwort auf einen wie Herrn Engholm: zurücklächeln. Will sagen: niedergrinsen, an die Wand strahlen, hemmungslos zu Boden schmunzeln

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