Vor der Koalition: Krach in Wien

Wien (taz/adn) — Unter ungünstigen Vorzeichen wurden gestern in Wien die Minister vereidigt. Zehn Sozialdemokraten, neun Konservative und ein Unabhängiger werden dem neuen Kabinett unter Kanzler Vranitzky (SPÖ) angehören. Mehr als zwei Monate hatten SPÖ und ÖVP gebraucht, um sich nach den Wahlen vom 7. Oktober, bei denen die Konservativen eine schwere Schlappe erlitten, auf eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierung zu einigen. Doch kaum hatten die Parteichefs Riegler (ÖVP) und Vranitzky das Ergebnis der harten Auseinandersetzungen Mitte vergangener Woche bekanntgegeben, schoß die ÖVP wieder quer. Sie belastete den Justizministerkandidaten Oberhammer, einen der SPÖ nahestehenden Parteilosen, mit dem derzeit schwersten in Österreich vorrätigen politischen Kaliber: Oberhammer unterhalte Kontakt zu Udo Proksch. „Kontakt zu Proksch“ reicht derzeit in Österreich auf jeden Fall für einen Skandal. Der in Wien allseits bekannte Geschäftsmann Proksch ist die Hauptfigur in der Affäre um das gesunkene beziehungsweise versenkte Schiff „Lucona“. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Mordes und Versicherungsbetrugs. Nachzuweisen ist Oberhammer bislang gar nichts, wenn man davon absieht, daß seine Gattin mit der Lebensgefährtin von Proksch ein Telefongespräch geführt hat, das wiederum abgehört wurde. So konnte der bislang unbescholtene Oberhammer durchsetzen, daß Vranitzky und Riegler gemeinsam eine öffentliche „Ehrenerklärung“ für ihn abgaben, bevor er zurücktrat. An seiner Stelle stellte die SPÖ Nikolaus Michalek auf, ein bislang politisch ziemlich unbeschriebenes Blatt. dora