: Burgfrieden zwischen SPD und CDU ist vorbei
■ Beide Parteien gerieten sich gestern mehrfach in die Haare/ Nur wenige Fortschritte in den Verhandlungen über die Innenpolitik/ Schulpolitik für den Ostteil der Stadt ebenfalls Zankapfel/ Umweltminister Töpfer hofft auf das Jawort fürs HMI
Berlin. Das war der verflixte siebente Tag: Genau eine Woche nach dem freundlichen Auftakt der Koalitionsverhandlungen gerieten sich gestern CDU und SPD gleich mehrfach öffentlich in die Haare. Der geschäftsführende CDU-Fraktionsvorsitzende Dankward Buwitt läutete die Streitereien mit Vorwürfen gegenüber SPD-Finanzsenator Norbert Meisner ein. Meisner habe bereits vor der Aufnahme von Verhandlungen über die Bundeshilfe und die Berlinförderung Zugeständnisse gegenüber Bonn gemacht, kritisierte Buwitt. Die SPD verspürte prompt eine »unerträgliche Belastung der Koalitionsverhandlungen« und ließ ihren Fraktionsgeschäftsführer Horst-Achim Kern auf Buwitt los. Seine Vorwürfe seien falsch, so Kern, und überdies ein »durchsichtiges Manöver«, womit die CDU davon ablenken wolle, daß auch CDU- Chef Eberhard Diepgen »größte Probleme« habe, bei Finanzminister Waigel Verständnis für die Berliner Finanznöte zu wecken.
Gereizt wurde von SPD-Seite auch auf die Forderung des CDU- Landesausschusses reagiert, sofort die »Umsetzung rot-grüner Politik« in verschiedenen Bereichen zu stoppen. Senatssprecher Werner Kolhoff konterte: Seit Mai seien alle Beschlüsse der Landesregierung mit Zustimmung der im Magistrat vertretenen CDU getroffen worden. Heute wollen sich unter Leitung von Diepgen und Walter Momper (SPD) erneut die Verhandlungskommissionen beider Parteien treffen und über den in den Arbeitsgruppen erzielten Stand der Verhandlungen beraten. Wenig Fortschritte können bisher vor allem die Unterhändler in den Bereichen Innen-, Justiz- und Ausländerpolitik vermelden. Es sei fraglich, »ob wir es vor Weihnachten schaffen«, sagte der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz zur taz. Ein »strittiger Punkt« sei nach wie vor die von SPD und AL abgeschaffte Freiwillige Polizeireserve, die die CDU jetzt wieder einführen will. — In der Arbeitsgruppe für Schule, Jugend und Sport ist nach Angaben der CDU umstritten, ob im Ostteil der Stadt neben Gesamtschulen und Gymnasien auch Real- und Hauptschulen aufgebaut werden sollten. Daneben seien sich CDU und SPD uneinig, ob das Schwulen- und Lesbenreferat abgeschafft werden sollte, das unter Rot- Grün in der Senatsfamilienverwaltung installiert worden war. Eine Reihe von Dissenspunkten traten, wie berichtet, auch in der Verkehrspolitik auf. Weitgehende Einigung haben dem Vernehmen nach dagegen die Umweltpolitiker beider Parteien erzielt. Auch die CDU habe sich für eine Abfallpolitik ausgesprochen, bei der die Müllverbrennung neben Müllvermeidung und -recycling nur die Ultima ratio sein sollte. Die Frage einer Genehmigung des Forschungsreaktors des Hahn-Meitner-Instituts (HMI), die von den Wissenschaftspolitikern beider Parteien verhandelt wird, sei noch nicht entschieden, sagte der CDU-Abgeordnete Herwig Haase.
Er glaube aber nicht, »daß da Schwierigkeiten entstehen«. Genauso sieht das offenbar Bundesumweltminister Töpfer (CDU). Auf die von ihm für Mitte Dezember angekündigte Weisung will der Minister vorerst verzichten. Man wolle »erst mal abwarten, bis sich die Regierung gebildet hat«, und hoffe dann auf einen positiven Bescheid, sagte eine Sprecherin Töpfers. hmt
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