: Mal was anderes zur Golfkrise
[...] Als Menschenrechtsverfechterin verurteile ich den Einmarsch Iraks in Kuwait. Aber meine Perspektive erweitert sich um den feministischen Blickwinkel: Mir krampft sich das Herz zusammen, ich kriege eine irrsinnige Wut bei der Vorstellung, daß auch dieser militärische Akt für die kuwaitischen Frauen etwas anderes als für die kuwaitischen Männer bedeutet: Für Frauen kommt zur Furcht vor Fremdherrschaft und Tod noch die Angst — und wahrscheinlich auch die Erfahrung — der Vergewaltigung dazu. Davon habe ich in den Nachrichten nichts gehört und in den Zeitung nichts gelesen.
[...] Ich werde von schrecklichen Ahnungen befallen, denke ich an die Parallelen zur gegenwärtigen Situation, rekapituliere ich mein Wissen über die Entstehung von Frauenhandel und Sextourismus. Angefangen hat es damit, daß die USA Krieg gegen Vietnam führten. Heute ist es so, daß sie (oder die Vereinten Nationen — es ist manchmal nicht so genau zu definieren) Krieg gegen den Irak führen wollen. Die Soldatinnen und Soldaten sind jedenfalls schon stationiert, in dieser Hinsicht kommt es deshalb gar nicht so sehr darauf an, ob es tatsächlich zu einem Krieg kommt: Sie USA planen die Errichtung sogenannter R&R (rest and recreation)-Stationen. [...]
Sollte es zu einem Einmarsch der USA/UN-Truppen im Irak oder Kuwait kommen, dann wird das für die irakischen Frauen auch Vergewaltigung bedeuten. Und spätestens in zehn Jahren können dann die Männer der Industriestaaten zwischen drei Sextourismus-Hauptzielen wählen: Südostasien, Ostafrika und Naher Osten. [...]
Was bleibt, ist ein bitteres Gefühl. Wie wäre es, wenn am nächsten Volkstrauertag nicht nur der gefallenen Soldaten, sondern auch der vergewaltigten Frauen gedacht wird? Auch sie sind Opfer. Opfer zweier Kriege: des Krieges zwischen Staaten und des Krieges von Männern gegen Frauen.
Wie wäre es, wenn Frauen gegen Krieg Stellung beziehen und diese Konsequenzen, die ich angedeutet habe, in die Öffentlichkeit tragen? Und wie wäre es, wenn auf den zur Zeit stattfindenden Kundgebungen gegen eine militärische Intervention durch USA/UN auch mal diese frauenspezifischen Probleme angesprochen werden? Aus der Vergangenheit lernen, läßt sich eben nicht „nur“ auf das Dritte Reich beschränken. Christina Reiß, Edingen
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