: Bei den Grünen gingen die Lichter aus
Im Hochhaus am Tulpenfeld, Domizil der Grünen-Bundestagsfraktion, gingen gestern die Lichter aus. Am letzten Arbeitstag der zweihundert Beschäftigten war von Weihnachtsstimmung nichts zu spüren. Während in den Gängen sich die überflüssig gewordenen Akten türmten und Mobiliar und Maschinen abtransportiert wurden, berieten die Mitarbeiter ein letztes Mal über ihre Zukunft. Bei den wenigen, die kamen, war viel Bitterkeit festzustellen. Auch in der letzten Presseerklärung der Fraktion wurde hinter den Worten die Enttäuschung über das jähe Ende sowie die selbstsüchtige und unsolidarische Auflösung der Fraktionsgemeinschaft überdeutlich.
Die wenigsten Mitarbeiter haben eine berufliche Perspektive in Aussicht. Eine eher zweifelhafte Freude war die gestrige Vorzugsbehandlung beim Arbeitsamt: Die Behörde, bereits seit Wochen in Kontakt wegen der Massenentlassung, hatte für den normalen Publikumsverkehr geschlossen und sich ganz auf die Grünen eingestellt. Die Anträge waren bereits vorbereitet und teilweise ausgefüllt. An der überwiegenden Einstufung als „schwer vermittelbar“ ändert das freilich nichts.
Zerschlagen haben sich auch die Hoffnungen der MitarbeiterInnen der Bundestagsabgeordneten auf eine vernünftige Abfindung. Im Gegensatz zu den direkt bei der Fraktion angestellten MitarbeiterInnen, die bis zum regulären Kündigungstermin im März 1991 weiterbezahlt werden, stehen die, die den 100 Abgeordneten zugearbeitet haben, ab heute ohne einen Pfennig Abfindung auf der Straße. Erwartungen, mit der Bundestagsverwaltung zu einer Übergangsregelung zu gelangen, zerschlugen sich. Auch die selber von Finanzproblemen bedrohte Partei sah sich nicht in der Lage, Abfindungsgelder bereitzustellen.
Als letzte Möglichkeit haben die Abgeordneten-Mitarbeiter nun eine Feststellungsklage gegen den Bundestag eingereicht. Dieser hätte die Verpflichtung gehabt, Rücklagen für einen angemessenen Sozialplan zu bilden, wird argumentiert. Dabei kann allerdings herauskommen, daß nicht der Bundestag, sondern die ehemaligen Abgeordneten der Grünen zur Kasse gebeten werden. Deswegen verschlechtert die Klage die Lage weiter: Weil eine spätere Zahlung droht, betrachten zahlreiche Abgeordnete den Spendentopf, in den sie 15.000 Mark ihrer eigenen Abgangszahlung von 135.000 Mark einbringen sollten, als hinfällig. Und weil etliche Abgeordnete die Zahlung verweigerten, war im Spendentopf ohnehin nur knapp die Hälfte der anvisierten Summe zusammengekommen — statt drei Monatseinkommen blieben für jeden Betroffenen weniger als 3.000 Mark. Nun gibt es für etliche Mitarbeiter überhaupt nichts; andere sollen von ihren Abgeordneten direkt eine Zuwendung erhalten. gn
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