Kirchliches Ritual: Kunst neben Gesangsbüchern

■ Anläßlich der Ausstellung von Beate Debus in der Petrus-Kirche

Im Frühsommer dieses Jahres gab es durch die massive Ausstellungstätigkeit von kirchlicher Seite (»Gegenwart/Ewigkeit«, »Altarbild, Geist und Körper« etc.) unter KünstlerInnen die Hoffnung, daß die Kirche auch in Berlin als Auftraggeberin uns Ausstellerin wieder aktiv würde und unzeitgemäße Themen favorisiert. Sie hat die größte Ausstellungsfläche der Welt und ist als multinationales Unternehmen jeder anderen weltumspannenden Organisation in puncto flächendeckender Vernetzung überlegen. Die Hoffnungen sind verpufft. Der Kreuzzug durch die Medien im Frühsommer enthüllte sich als Werbegag für ein Termingeschäft. Nachdem der »Kirchentag« vorüber war, ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Noch immer stellen im Westteil der Stadt fünf kirchliche Einrichtungen aus. Keine mehr.

Dabei ist z.B. das »Nichtdarstellbare«, »alle Vorstellung Übersteigende« im Begriff des Erhabenen eine Kategorie, die vom Standpunkt der Offenbarungsrhetorik der Kirche und im Licht eines Sakralraums unter verschärften Bedingunen erscheinen könnte. Apokalyptische Gestimmtheit ist selbst im Vernissagenvokabular bei Abgebrühten so à la mode, daß sich die Frage nach der »Erfahrung« längst nicht mehr stellt: Wer wäre denn erschüttert und völlig verwirrt, zitternd erstarrt vor einem Kunstwerk verstummt, der vom Erhabenen so eloquent zu parlieren weiß? Das Erhabene ist ein ästhetisch-moralischer Sonderfall — und in den Sterilräumen von Galerien ein extremistisches Kopfereignis oder zur Floskel verdünnt. Die Kirchen aber schweigen — selbst auf ureigenstem Terrain.

Für die Kirchen hat Kunst keine grundlegende Bedeutung; gepflegt wird der dekorative Charakter, besonders wenn es sich um neuere Kunst handelt. Da hängen dann die Bilder entlang den hohen Wänden, miserabel ausgeleuchtet (wie im Haus der Kirche) und werden im Monatsrhythmus ausgewechselt. Wen interessiert das schon? Eben. Im Grunde interessiert das überhaupt nicht. Und deshalb orientiert sich das Programm meistens auf sozial Engagiertes — das macht sich immer gut und verrät sofort die Gesinnung und das Gutgemeinte — oder Abstraktes mit Titeln aus dem Alten oder Neuen Testament versehen.

Ausnahme von dieser Regel ist die Petrus- Kirche. Sie hat kontinuierlich ein Programm mit Anspruch — gemessen am Maßstab, den die Kirchen hier gesetzt haben. Was ausgestellt wird, hängt auch nicht nur einfach da, sondern wird in den rituellen Ablauf (in der Predigt, in den Bibelstellen etc.) einbezogen. Das kann ein cooler Ästhetiker fragwürdig finden oder belächeln — vom Standpunkt der arte religiosa (der Kunst mit religiösen Realitionen — wie bei Rothko, Newman, Beuys, Tapiès, Lehnerer) kann es im ästhetischen Bezug Stimmigkeit artikulieren — selbst für völlig unchristlich Temperierte nicht nur zur Weihnachtszeit.

Die Aussichten darauf, daß Kirchen innerhalb ihrer eigenen Traditionen eine Kunstrichtung forcieren, die den Namen Kunst überhaupt verdient, bleiben aber weiterhin utopisch. Wer in Kirchendiensten steht, ist in der Regel ästhetisch desinteressiert und gerade so ausgebildet, daß er Heiligenbildchen und das Kitschkonglomerat der arte sacra von Kunst nicht unterscheiden kann. Worauf es ankommt, ist noch immer Gesinnung und Absicht. Darauf kommt es in der Kunst aber überhaupt nicht an. Solange sich diese Einsicht nicht durchsetzt, werden Kirchen weiterhin dekoriert. Peter Herbstreuth

»Holzdrucke« von Beate Debus in der Petrus-Kirche Lichterfelde, Oberhofer Platz, Mo 10-12, Mi und Sa 11-13 Uhr