: Kein Feuerschutz für die schwäbische Waffenbude
Bonn will „Wundergewehr“ nicht/ Nun Heckler&Koch-Aufkauf gefährdet? ■ Aus Stuttgart Erwin Single
Das Ringen um die French Connection der auf die Pleite zuwirtschaftende Rüstungsbude Heckler&Koch geht weiter. Seit Bundesverteidigungsminister Stoltenberg vor wenigen Tagen beiläufig im Fernsehen erwähnte, daß das bei H&K entwickelte „Wundergewehr“ G11 für die Bundeswehr nicht gebaut werde, dürften die Übernahmegelüste des französischen Rüstungskonzerns Giat deutlich geschrumpft sein.
Denn das Bonner Ministerium, das die Entwicklung des G11 mit 87 Millionen D-Mark finanziert hat, will an seinen Verwertungsrechten an dem futuristischen Sturmgewehr weiter festhalten — auch bei einem Verkauf der schwäbischen Waffenschmiede. An dem Großauftrag für die Beschaffung hing aber nicht nur die wirtschaftliche Zukunft H&Ks. Auf die „präziseste Tötungsmaschine der Welt“, so die britische 'Times‘, hatte auch Giat ein Auge geworfen und die H&K-Übernahme anscheinend davon abhängig gemacht, wird in der Branche spekuliert.
Während die Geschäftsleitung des berüchtigten Oberndorfer Waffenexporteurs nach wie vor die Übernahme durch die Franzosen verkündet, will Giat offensichtlich nichts überstürzen. Stoisch wird wiederholt, daß noch kein Kaufvertrag abgeschlossen, sondern lediglich eine Absichtserklärung unterzeichnet worden sei. Die von beiden Unternehmen geschlossenen 18seitige Vereinbarung soll allerdings auch eine Reihe von Vorbedingungen für den Kauf enthalten. Die Giat-Gremien werden noch vor Weihnachten tagen; ein Übernahmeantrag liegt beim Berliner Bundeskartellamt bereits auf dem Tisch.
Der „Groupement Industriel des Armements Terrestres“ (Giat) war in den vergangenen Jahren eher ein maroder Regiebetrieb des französischen Verteidigungsministeriums zur Ausstattung der Landstreitkräfte. Nun greift er nach dem schrumpfenden Weltmarkt bei groß- und kleinkalibrigen Feuerwaffen. In den letzten Wochen hat er praktisch alle französischen Hersteller von Panzerfahrzeugen unter seinem Dach vereint. Unter den Herstellern von Infanteriewaffen stieg Giat zugleich bei der belgischen Rüstungsschmiede FN, dem US-Pistolenhersteller Browning und auch bei dem führenden italienischen Kleinwaffenproduzente Beretta ein, bei dem FN 36 Prozent des Kapitals hielt. In Frankreich fielen die Kleinwaffenfilialen der Rüstungskonzerne Matra und Luchaire an Giat. Das französische Wirtschaftsmagazin 'Le nouvel Economiste‘ kommentierte die Konzentrationsbewegungen des fünftgrößten französischen Rüstungsbetriebs: „Giat schießt auf alles, was sich bewegt.“
Was aus den rund 1.400 Arbeitsplätzen im Rüstungsbereich bei Heckler&Koch und den etwa 650 Beschäftigten bei den beiden zivilen Tochterunternehmen für Maschinen- und Anlagenbau sowie Elektronik wird, bleibt weiter offen. Auf einer Betriebsversammlung erklärte H&K-Geschäftsführer Peter Moser, über die Arbeitsplätze sei mit Giat nicht gesprochen worden. In der Belegschaft herrsche nicht zuletzt wegen der Vertragsunstimmigkeiten eine „erhebliche Unsicherheit“, so der Schramberger IG-Metall-Sekretär Manfred Dierolf. Nachdem das Verteidigungsministerium auf das G11 verzichtet hat, sieht Dierolf für die Oberndorfer Waffenfabrik ganz schwarz.
Die Grünen haben derweil eine strukturpolitische Initiative gestartet: Sie schlagen vor, die mit rund 9.000 Rüstungsbeschäftigten stark von der Waffenherstellung abhängige Region Oberndorf/Schramberg zu einer „Modellregion“ für Rüstungskonversion zu machen. Mit staatlichen Finanzhilfen sollen vor allem die drei dort ansässigen Rüstungsbetriebe H&K, Mauser und Junghans ihre Produktion vollständig auf zivile Güter und Dienstleistungen umstellen. Die Rahmenbedingungen für die dringend notwendigen Innovationen soll eine Kommission für regionale Strukturpolitik schaffen. Die Betriebe sollen eine Beratungsstelle bekommen, und alle Beteiligten sich an einen runden Tisch zusammensetzen. Bei der Gewerkschaft und der SPD ist der Vorschlag auf Sympathie gestoßen.
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