: Krieg am Golf nicht vor Februar
■ Ein hoher US-Militär bezweifelt die volle Einsatzbereitschaft der US-Streitkräfte zum 15. Januar/ EG will Anfang Januar eine eigene diplomatische Initiative beginnen, falls andere Gespräche scheitern
Washington/Riad (ap/taz) — Der US-amerikanische Generalleutnant Calvin Waller, der stellvertretende Oberkommandierende der US- Truppen am Golf, hat am Mittwoch gewarnt, daß die US-Streitkräfte am 15. Januar noch nicht bereit seien, die irakischen Truppen in Kuwait anzugreifen. Das Weiße Haus in Washington bemühte sich umgehend, die Äußerungen Wallers herunterzuspielen.
US-Verteidigungsminister Cheney und Generalstabschef Colin Powell setzten am Donnerstag ihre Besprechungen und Besichtigungen vor Ort in Saudi-Arabien fort. Waller, der mit ihnen reist, erläuterte, einige der unbedingt notwendigen Kampftruppen könnten wahrscheinlich nicht rechtzeitig in Stellung gebracht werden. Auch gebe es noch Nachschubprobleme für die Landstreitkräfte und die Marineeinheiten. Der General sagte, wenn Saddam Hussein das Ultimatum verstreichen lasse und Präsident George Bush einen Angriff befehlen wolle, „dann würde ich ihm sagen: 'Nein. Ich bin nicht bereit.‘“ Waller äußerte die Vermutung, daß Bush diese Probleme kenne. Verteidigungsminister Cheney hatte schon auf dem Flug nach Saudi-Arabien gesagt, die meisten der US-amerikanischen Einheiten befänden sich bis zum 15. Januar in den vorgesehenen Stellungen, „doch ist offensichtlich noch zusätzliche Arbeit zu leisten, ehe man sie als kampfbereit bezeichnen kann“.
General Norman Schwartzkopf, der Befehlshaber der Truppen am Golf und damit unmittelbarer Vorgesetzter Wallers, äußerte die Besorgnis, daß dieser zu offenherzig gewesen sei, als er die Kampfbereitschaft der US-Truppen öffentlich erörtert habe. Ein Sprecher Cheneys betonte am Donnerstag in Saudi-Arabien, selbst, wenn bis zum 15. Januar nicht alle Bodentruppen der USA kampfbereit seien, werde zumindest die US-Luftwaffe zum Angriff bereit sein. Auch ohne vollständige Kampfbereitschaft könne die US- Streitmacht eine Operation zur Befreiung Kuwaits beginnen.
Bushs Sprecher Fitzwater vermutete, Waller habe sagen wollen, daß die Truppen möglicherweise nicht so bereit seien, wie sie es selbst für alle denkbaren Fälle sein wollten. In Washington hieß es aber auch, die Äußerungen des Generalleutnants könnten die Bemühungen der Regierung der USA erschweren, Druck auf den Irak auszuüben, und zugleich den Kritikern der Golfpolitik Bushs in den USA Auftrieb geben.
Im Irak wurde am Donnerstag angeordnet, daß Hausbesitzer Luftschutzkeller anlegen müssen. Nachdem erneut Reservisten einberufen worden waren und die Bevölkerung zum Anlegen von Vorräten aufgefordert worden war, ist nun auch die Evakuierung von Städten geplant.
Wenn bis Ende des Jahres das Scheitern eines Dialoges zwischen Washington und Bagdad offensichtlich ist, will die EG vor dem 15. Januar eine eigenständige Gesprächsinitiative starten. Der italienische Außenminister Michelis erklärte am Donnerstag, der gesamte Ministerrat der EG habe sich mit diesem Vorschlag auf dem letzten EG-Gipfel in Rom einverstanden erklärt. In Paris sagte Staatspräsident Mitterrand am Mittwoch, Frankreich werde dabeisein, wenn es zum militärischen Schlagabtausch kommen sollte, behalte sich aber das Recht vor, eigene Friedensvorschläge zu machen.
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