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Ritter und Hexenmeister

■ Das Märchen von Garri und Anatol erzählt von ihrer Schlacht um die Macht des schwarz-weißen Reiches PRESS-SCHLAG

Es war einmal im Land der schneeweißen Türme und schwarzen Reiter, wo sich alle drei Jubeljahre ein seltsames Treffen begab. Ritter Garri edelmütig schlägt sich mit Anatol, dem Hexenmeister. Der Preis ist keine Edelfrau, doch viel Gold und die Krone dieses Märchenreiches.

Zu Haus von diesem Kampfe zu berichten, reisen von überall her die Bänkelsänger an. Drei Monde lang ruhen die hölzernen Waffen nicht, mit denen Garri und Anatol sich bekriegen. Viel zu lange für die Bänkelsänger, die Tag für Tag ein neues Lied anstimmen müssen. Und so erdachten sie ein Märchen wunderschön, so schwarz und weiß wie jene schon erwähnten Waffen.

Garri hieß ihr Held, der mutig war und ihnen gern erzählte. Den Anatol mochten sie nicht, war er doch fremd und geheimnisvoll. Das kann nur ein Hexenmeister sein, der Garri nicht im fairen Kampf zu schlagen sucht. Schwarze Magie sei seine Strategie, statt wie der junge Ritter die Entscheidung gerad'heraus zu suchen. Und außerdem, das ist doch klar, hassen sich die beiden Krieger, wie Gut und Böse stets sich meiden müssen.

Doch wie im Märchen meist, ist wenig wahr davon. Garri hat sich vieles ausgedacht, was ihm die Bänkelsänger gerne glaubten. Und manche gaben ihren Senf dazu. Wie jener, der dem Anatol geheimnisvolle Mixturen andichtete, mit denen er auf seine Leistung käme. Andere nennen ewig gestrig ihn eine „Kreatur der Dunkelheit“, geradewegs aus dem Reich des Bösen.

Doch bis vor kurzem zählte Garri auch zu den Anhängern des großen Gorbi, den er heute geißelt. Das einstmals schöne Rosenland richte der übermächtige König zugrunde, sagt Garri, während Anatol Gorbi dem Großen noch Vertrauen schenkt.

Als bald die große Schlacht zu Ende geht und Garri vor dem Siege steht, schreiben die Bänkelsänger an ihren Liedern. So dreht es jeder, wie er will: Es ist die Jugend und der Mut, die Freiheit und der rechte Weg, die hier zu Recht gewinnen.

Als alles schon entschieden schien, da kämpfte Anatol zäh weiter. Zwei Nächte lang quälte er den jungen Ritter, obwohl die Hoffnung winzig klein, das Ruder noch herumzureißen. Drei Hiebe in einer Reihe wären nötig für Anatol, die Herrschaft des schwarz- weißen Reiches zu erobern.

Doch der nächste Hieb von Garri sticht und bringt die Schlacht zum vorzeitigen Ende. Und wenn sie nicht gestorben sind, so hat jeder Kampf trotzdem ein Ende.

Märchenonkel Stefan Löffler

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