: „Asiatinnen tun es immer“
Darmstädter Landgericht verschob das Urteil gegen Deutschlands größten Heiratshändler auf Januar/ Menger soll zwei Thailänderinnen brutal vergewaltigt haben ■ Aus Darmstadt Heide Platen
Das Urteil gegen einen der größten deutschen Heiratshändler, Hans- Günther Menger, wird in diesem Jahr nicht mehr gesprochen werden. Die 12. Große Strafkammer des Darmstädter Landgerichts kündigte gestern das Urteil für den 2. Januar 1990 an. Dem waren zahlreiche Verzögerungen des Prozesses, Befangenheitsanträge gegen die Richter und ein justizinterner Streit um Veröffentlichungen über das Verfahren vorausgegangen. Menger ist angeklagt, zwei Thailänderinnen vergewaltigt zu haben.
Der Angeklagte ist ein kleiner, stämmiger Mann. Strähnig graue Locken ringeln sich über den Kragen seines faltigen Anzugs. Hans Günther Menger (55) hat etwas von einem verkrachten Staubsaugervertreter aus den fünfziger Jahren. Er war seit 1976 — bis zu seiner Inhaftierung im Dezember 1988 — Inhaber von „Individual Marriage Travel Agency“ (IMTA). Männer „kauften“ ihm für eine Vermittlungsgebühr von rund 10.000 Mark inklusive Flugticket potentielle Ehefrauen ab — vorwiegend aus Thailand. Zur Zeit verbüßt er eine dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen Hinterziehung von Steuern in Höhe von über zwei Millionen DM aus diesen Geschäften. Daß er auch noch wegen Vergewaltigung vor Gericht steht, paßt in das Bild, das er sich von sich selbst und der Welt gemacht hat. Er sieht sich als Opfer von Intrigen, einem Komplott von Frauengruppen ausgeliefert, die seine Existenz ruinieren wollen.
Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Wilfried Jäger ist in dieser Hauptverhandlung zwischen den Wahrheiten von Staatsanwaltschaft und Nebenklage einerseits und der Verteidigung andererseits mit der Grauzone des Frauenhandel-Milieus konfrontiert. Der Nebenklägervertreter, Rechtsanwalt Joachim Glienke aus Frankfurt, bezog sich in seinem Plädoyer auf das „Milieu“, als er es das „Genre“ nannte, in dem möglicherweise Unrechtsbewußtsein gar nicht erst habe aufkommen können. „Asiatinnen“, hatte Menger das Gericht zu Beginn des Prozesses wissen lassen, könne „man nicht vergewaltigen. Die tun es immer. Entweder aus Liebe oder für Geld.“
Staatsanwalt Bernd Kunkelmann forderte eine Haftstrafe von insgesamt zwölf Jahren. Er beschrieb das Leiden der Thailänderin S.: Sie sei durch die Vermittlung der Bangkoker Filiale im Mai 1987 aus Thailand in die Bundesrepublik gekommen. Das Büro habe sie an einen Mann vermittelt, den sie nicht wollte. Wenige Tage später flüchtete sie in Mengers Büro und bat dort um Hilfe. Menger habe sie daraufhin in eine seiner Wohnungen gebracht. Dort sei er zudringlich geworden. Seine Zudringlichkeiten in der Küche habe sie abgewehrt und versucht, den Mann hinzuhalten. Dann, „mit Schlägen auf den Po“ ins Schlafzimmer genötigt, habe es für sie kaum noch eine Chance zur Gegenwehr gegeben. Menger habe sie an diesem und den weiteren Abenden zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Menger habe immer wieder Gewalt angewendet und sie damit bedroht, daß sie nach Thailand zurückmüsse. Ihm sei bekannt gewesen, daß dies für sie in der Heimat eine große Schmach, einen Gesichtsverlust, bedeutet hätte. Der Höhepunkt der Quälereien stand ihr nach sechs Tagen in der Wohnung bevor. Nach einer Geburtstagsfeier habe Menger sie mit einer Sektflasche vergewaltigt und danach den Geschlechtsverkehr „quasi in Sekt badend“ vollzogen.
Was sonst noch zur Sprache kam, war bestenfalls mit der nachgerade steinernen Miene zu ertragen, die der Vorsitzende Richter, Jäger, die meiste Zeit über zeigte. Daß Menger in einem zweiten Fall die Thailänderin P., nachdem er sich, wiederum mit Vorspiel in der Küche, an ihr bedient habe, zur Abtreibung drängte, ist eines der Details. Menger interpretiert auch die Schwangerschaft als erpresserische Intrige. Ob es denn, fragt das Gericht die Zeugin, noch andere denkbare Gründe gegeben habe, nicht abzutreiben? „Ich habe“, sagt P., „das Kind eben lieb gehabt.“ Sie wird inzwischen von einer kirchlichen Gruppe betreut.
Der Ehekandidat, dem sie, ebenso wie S., zu Menger entflohen war, vermittelt im Zeugenstand das Weltbild jener Männer, die sich nach Katalog und Versandhausmethode eine Asiatin ordern. „Mehr Familiensinn“ habe er erwartet, verkündet der querulantische ältere Herr. Und: „daß sie von der Zivilisation noch nicht so befleckt sind.“ P. hauste mit ihm in einer fensterlosen Garage ohne Wasseranschluß, das dazugehörige Haus existiert bisher nur als Luftschloß in seiner Phantasie. Daß die Frau „immer nur Krabben und exotisches Obst“ essen wollte, fand er nur anfangs possierlich. Dann wurden ihm die „Delikatessen“ zu teuer. Im Gerichtssaal stilisiert er sich als väterlicher Freund, der die Frau umhegt und gepflegt habe. Kommuniziert hätten sie in einer „Körpersprache“ und einem Sprachgemisch. Eine Sozialamtsbetreuerin erinnert sich, daß er mit der Frau geredet habe „wie mit einem Tier“.
Verteidiger Volker Gallandi, der stolz darauf ist, ein Bossi-Schüler zu sein, befleißigt sich auch dessen antiquiert operettenhaften Stils. Er fordert Freispruch aus den verschiedensten Gründen. Zum einen hält er die Zeuginnen für unglaubwürdig. Sie hätten sich mitnichten gegen Menger gewehrt. Der Geschlechtsverkehr sei „zwar unwillig [...] mit einem Sträuben“, nicht aber mit Gewalt erfolgt. Dies sei kulturpsychologisch bei Thailänderinnen durchaus normal. In Thailand „als Frau geboren zu sein, ist ein Zeichen für schlechte Taten“ im vorausgegangenen Leben. Die Frauen, die hoffen, als „besserer Mensch, als Mann“ wiedergeboren zu werden, hätten „ihre Verpflichtung auch zu unfreiwilliger Hingabe“ verinnerlicht. S. habe sich alles gefallen lassen und Menger erst nach dem Vorfall mit der Sektflasche verlassen. Der Rest sei ihr von den Frauengruppen eingeredet worden, denen sie gefällig sein wollte. Vielleicht, rekonstruiert er und stellt einen entsprechenden Hilfsbeweisantrag auf psychiatrische Untersuchung, leide der extrem narzißtische Menger auch an „pathologischem Donjuanismus“. Wenn die Frauen tatsächlich Widerstand geleistet hätten, dann habe Menger dies jedenfalls „nicht in irgendeiner Form bemerkt“.
Seine Kollegin Kinsberger-Villanova verwandelt das, was die Staatsanwaltschaft und die Zeuginnen Schläge nannte, in „einen Klaps auf den Po“. S. habe selbst gesagt: „Mein Widerstand bestand in Verneinung.“ Das lasse jedenfalls nicht auf „übermäßige“ Gegenwehr schließen. Kinsberger-Villanova wandte sich an die Schöffen: „Man kann nicht von vornherein sagen, alle Männer sind fies.“
Hans-Günther Menger, der sein Geschäft früher in Fernsehdebatten verteidigt hatte, erklärte in seinem Schlußwort: „Ich habe mich von dem unbeliebten Gewerbe abgewandt.“ Er habe bei Frauen „vielleicht manchmal die Situation ausgenutzt“, ein Vergewaltiger sei er nicht. Das habe er „in seinem Leben nicht nötig gehabt“.
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