: Tour d'Europe
■ Schwarze Plastikkuverts
Schon wieder eine der üblichen Einladung zum Empfang mit kleinen Leckereien und Alkoholika aller Art? Nein, dieses Mal versteckt sich in dem Wust von Propagandamaterial, das die Postbotin täglich durch den Briefschlitz stemmt, eine Invitation zum „Hintergrundgespräch“ im Feinschmeckerlokal „La Hulpe“. „Na, das ist doch einmal was Anständiges“, denke ich und bestätige die Einladung. „Senior Advisory Group Biotechnology“ (SAGB) nennen sich die Sponsoren. Mal sehen, was die Chefberater für Biotechnologie zu erzählen haben.
Im schummrigen Kerzenlicht sitzen schon einige Kollegen vor großen Serviettenhüten. „Ausgewählte Presse“ hieß es in der Einladung. Daß ich dazu gehöre, ist wohl einem Fehler des Medienfritzen zu verdanken. Noch bevor es losgeht, bekommen wir ein schwarzes Plastikkuvert mit Hochglanzbroschüren in die Hand gedrückt — zur späteren Kenntnisnahme. Während man auf den zweiten Gang wartet, kommt der Sprecher des Abends schließlich zur Sache.
„Die westeuropäische Biotech-Industrie gerät gegenüber ihren Konkurrenten in den USA und Japan ins Hintertreffen, wenn die EG nicht schleunigst die ,Industrie der Zukunft‘ fördert.“ Wie der von Industrievertretern schon seit Jahren an die Wand gemalten Misere beizukommen ist? Auf diese Frage hat der graumelierte SAGB-Vertreter offensichtlich nur gewartet. Seine Antwort: „Die Gemeinschaft muß alles in ihrer Macht stehende tun, um die Öffentlichkeit über die Vorzüge und die Auswirkungen der Biotechnologie zu unterrichten. Versäumnisse könnten zu erheblichen Verlusten für die Gemeinschaft führen, sowohl was die potentiellen Arbeitsplätze, die Gesamtwettbewerbsfähigkeit der EG-Industrien als auch, was die Teilnahme an der vordersten Front der neuen technologischen Revolution anbelangt.“
Anderntags ist das Statement fast wörtlich in einflußreichen europäischen Zeitungen nachzulesen. Journalisten spielen eine wichtige Rolle im Lobbygeschäft. Wichtiger jedoch ist die direkte Beeinflussung der Entscheidungsträger. Die sind auf EG-Ebene weniger im Europaparlament als in der EG-Kommission und im Ministerrat zu finden. Den Ministern rücken die Lobbyisten über ihre nationalen Kanäle zu Leibe, in Brüssel suchen sie Kontakt mit den Beamten — oder noch besser — mit den Kommissaren der EG-Verwaltung.
Weltmeister bei diesem Spiel ohne Grenzen sind die SAGB- Mitglieder, die sieben Chemiefirmen Monsanto, Hoechst, Sandoz, Unilever, ICI, Ferruzzi und Rhône-Poulenc Sant. Seit SAGB im Juli 1989 gegründet wurde, um die EG-weite Einflußnahme der Multis auf die Gesetzgebung im Bereich der Biotechnologie zu koordinieren, müssen sich die EG-Beamten nicht mehr mit unnötiger Arbeit belasten: SAGB- Vorlagen finden direkten Eingang in EG-Gesetzesinitiativen.
Daß diese „Hilfe“ in den EG- Institutionen nicht auf Ablehnung stößt, dafür sorgen verläßliche Gewährsleute in Kommission und Europaparlament. Für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber der Chemielobby SAGB bekannt sind der Koordinator eines Biotechnologie-Programms in der EG-Kommission, Mark Cantley, und sein Landsmann Ken Collins, Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament. bull
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