piwik no script img

Sandiges Korn

■ Filmland Syrien — eine Reihe im Arsenal

Bei dem Ende Oktober stattfindenden Filmfestival des arabisch-afrikanischen Films in Tunis wurde im vergangenen Jahr keiner der angekündigten Beiträge aus Syrien gezeigt. Aus nicht erklärten Gründen blieb dieses Land filmisch ausgespart. Der Eindruck wurde erweckt, daß das Land über keine nennenswerte Filmproduktion verfügt — nun wird man im Arsenal angenehmerweise eines Besseren belehrt. In einer Reihe von sechs Filmen, die von Viola Shafik in Zusammenarbeit mit dem kommunalen Kino Metropolis in Hamburg zusammengestellt wurde, wird Syrien als Filmland vorgestellt.

Der Eröffnungsfilm Die Betrogenen (»Al-Makhdu'un«) von Taufiq Salih von 1972, seinerzeit auf dem Filmfestival von Tunis mit dem goldenen Tanit ausgezeichnet, besticht sofort durch seine filmische Kargheit und erzählerische Härte. In sparsamen Schwarzweißbildern wird das Elend der von den Zionisten ins Exil getriebenen Palästinenser erzählt, ihre wirtschaftliche Not, Arbeitslosigkeit, ihre fortgesetzte Randexistenz. Dazwischen montierte Dokumentaraufnahmen von UNO-Sitzungen und internationalen Politikertreffen evozieren in schnellen Schnitten die wiederholten vergeblichen Versuche zur Lösung der Palästinenserfrage auf internationaler Ebene. Und dennoch übt der Regisseur auch an der palästinensischen Männergesellschaft Kritik: Ein Familienvater verläßt seine Frau und seine zahlreichen Kinder, um sich mit einer verkrüppelten Frau zu verheiraten, nur weil sie ein festes Haus mit in die Ehe bringt. So muß sein minderjähriger Sohn von da ab die Familie ernähren. Der einzige Weg, um zu Arbeit und Geld zu kommen, ist sich ins Gastarbeiterland Kuwait durchzuschlagen. Er macht sich zusammen mit einem wegen Widerstands gefolterten Intellektuellen und einem älteren Mann, der ebenfalls von einem Haus und einem Olivenbaum träumt, nach langem Bedenken, schwerem Abschied und nach Bezahlung einer beträchtlichen Summe Geldes schließlich mit einem Führer auf den Weg. Der Weg: eine Fahrt in einem klapprigen Tankwagen durch die Wüste.

Der Film zeigt denn auch vorwiegend kurzstrüppiges, ausgedörrtes Land, eine weißgleißende Sonnenscheibe, Schweiß auf dem Gesicht des Fahrers, zu langsame Räder für die endlose Strecke, eine sich anbahnende Nähe zwischen diesen Männern, kleine Zeichen der Rücksichtnahme, schweigende Langmut im ertragen von Entbehrungen.

Da die Männer nicht legal aus-, ein- und durchreisen können, müssen sie an den jeweiligen Grenzkontrollstellen Syriens und des Irak im glühendheißen Tank des Wagens verschwinden, während der Fahrer ins Kontrollhäuschen läuft, um sich die entsprechenden Stempel in sein Fahrtenbuch geben zu lassen. Beim ersten Mal geht es gut: Nicht länger als die versprochenen sieben Minuten hat der Fahrer zur Abwicklung der Formalitäten gebraucht. Die wegen der Hitze im Tank völlig erschöpften Männer brechen nach ihrer Freilassung im Autoschatten zusammen. Beim zweiten Mal geht es nicht gut: Die Kontrolleure halten den Fahrer hin, machen sich ihren Spaß mit ihm, wollen sein amouröses Abenteuer mit einer Tänzerin erfahren. Und als der Fahrer endlich nach einer Viertelstunde den Tank öffnen kann, sind die drei Männer tot. Er legt sie auf einen Müllhaufen in der Wüste ab.

Das Bild der drei in merkwürdigen Posen erstarrten Leichen, mit dem diese Fahrt nach Kuwait endet, erhält zum gegebenen Zeitpunkt symbolische Kraft: Man möchte es auf mehr als nur der Leinwand des Arsenals projiziert sehen. Michaela Ott

Die Betrogenen wird nochmals gezeigt am Samstag, 5.1. um 22.15 Uhr, weitere syrische Filme von Freitag, 4.1. bis Freitag, 11.1., im Arsenal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen