: Deutsche Wirtschaft für den Golfkrieg gerüstet
■ VerbraucherInnen zahlen/ Ratlosigkeit über längerfristige Konsequenzen
Frankfurt/Manila (ap/dpa) — Wenn es am 15. Januar zum Krieg am Golf kommen sollte, werden die VerbraucherInnen in der BRD einen Teil der Rechnung zahlen müssen: Für den Kriegsfall rechnen Wirtschaftsfachleute mit steigenden Ölpreisen, Turbulenzen an den Aktienmärkten und einem Teuerungsschub bei den Lebenshaltungskosten.
Die deutsche Wirtschaft dagegen kann den Experten zufolge dem drohenden neuen Golfkrieg relativ gelassen entgegensehen. Zum einen wurden nach den Ölkrisen der 70er Jahre strategische Ölreserven angelegt, die die Versorgung der westlichen Welt auf Monate sichern; zum anderen verringern der wirtschaftliche Nachholbedarf in den neuen Bundesländern und der bevorstehende EG-Binnenmarkt die Abhängigkeit der BRD von außereuropäischen Absatzmärkten erheblich.
Ein kurzer Konflikt ließe sich somit von der deutschen Wirtschaft „wegdrücken“, schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Pariser Experten heben hervor, daß Energiesparmaßnahmen, die Zuwendung zu anderen Energiequellen und die Erschließung neuer Ölgebiete die Bedeutung des arabischen Öls für die Energieversorgung der BRD und anderer westlicher Länder seit den 70er Jahren spürbar verringert haben. Schon der Ausfall der Ölimporte aus Kuwait und dem Irak sei gut verkraftet worden, die nach Ausbruch der Golfkrise spekulativ angestiegenen Ölpreise seien wieder gefallen.
Allerdings erwartet die OECD ebenso wie das Bundeswirtschaftsministerium und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) im Kriegsfall einen Inflationsschub, der nach Überzeugung des Bonner Wirtschaftsministeriums auch negativ auf das ohnehin schon hohe Zinsniveau einwirken könnte. Als Faustregel gelte, daß eine Verteuerung des Ölpreises um zehn Dollar je Barrel im Jahresschnitt jeweils einen Prozentpunkt mehr Inflation und einen Prozentpunkt weniger Wachstum bringe, schätzen die OECD-Experten. Ein sich in die Länge ziehender Krieg könnte sich zudem negativ auf den Optimismus in den deutschen Vorstandsetagen und damit auf die Investitionsbereitschaft auswirken.
Sollte der Konflikt am Golf als Flächenbrand die gesamte arabische Welt erfassen, sind die Folgen derzeit ohnehin unkalkulierbar. „Niemand kann sagen, wie weit die Raketen des irakischen Diktators Saddam Hussein reichen“, erklären dazu die DIHT-Fachleute. Die „allgemeine Sprachlosigkeit“, die angesichts der neuen Golfkrise in der Bundesrepublik zu registrieren sei, rühre nicht zuletzt daher, daß derzeit keiner ermessen könne, welches Ausmaß ein Krieg am Golf nehmen würde. Ratlosigkeit gibt auch die Bundesregierung zu erkennen: „Kein Mensch weiß, wo ein solcher Konflikt sich abspielen würde“, heißt es beim Bundeswirtschaftsministerium. So sei beispielsweise unklar, wie weit im Kriegsfall die Beeinträchtigung der Handelswege ginge.
Auf die in eine Rezession gleitenden Vereinigten Staaten, deren Haltung über Krieg oder Frieden am Golf entscheidend mitbestimmt, würde sich ein Militärkonflikt nach Überzeugung der Experten wirtschaftlich zwiespältig auswirken: So könnten einzelne Industriesektoren wie die von der Ost-West-Entspannung schwer gebeutelte Rüstungsbranche kurzfristig mit neuen Aufträgen rechnen; auf den schwer defizitären Staatshaushalt kämen dagegen neue Belastungen hinzu.
Philippinen: 3,4 Millionen Arbeitsplätze gefährdet
Die philippinische Regierung vermutet, daß der Golfkrieg zum Ansteigen der Inflationsrate von rund 15 Prozent Ende 1990 auf 20 Prozent führen könne. Von rund 26 Millionen Beschäftigten könnten 3,4 Millionen ihren Arbeitsplatz verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen