: Elfmal werden wir noch wach...
■ Die Kinder der Achtziger werden erwachsen
Wie haben wir uns die Hände gehalten, die kleinen, feuchtwarmen, schweißnassen Fäuste für den Frieden geballt! Unsere glorreichen Achtziger — mit Menschenketten, Blockaden und allgemeiner Freundlichkeit, die große, lauwarme Gemeinschaft der Friedlichen — bestehend nur aus Angst. Die beliebten Szenarien des atomaren Endschlags, des europäischen Hiroschima, des letzten aller Kriege... Kluge Menschen wurden nicht müde zu erklären, daß es keinen anderen Endsieg mehr geben werde als den der Bombe selbst, daß es eine „begrenzte militärische Auseinandersetzung“ nicht mehr geben könne. Nur einige besonnene Stimmen waren es, die nach dem Nachrüstungsbeschluß noch Ruhe zu bewahren vermochten — wie unser damaliger Kanzler, der zu seinen Sekundärtugenden noch eine primäre hinzunahm und in der 'Zeit‘ sein Hirtenwort zu uns sprach: „Fürchtet euch nicht!“ war sein Artikel überschrieben. Und er sollte recht behalten.
Wie haben wir uns gefürchtet, und endlich begreifen wir: Es war umsonst. Der Horizont hat sich gelichtet, zum Möglichen hin. Nun gibt es doch wieder Situationen, in denen — ja, auch wir! — fest zusammenstehen können, ohne zusammenfallen zu müssen: Der Weltuntergang wird es nicht. Ist das nicht eine Entlastung? Begrenzte militärische Konflikte auch mit deutscher Beteiligung sind möglich, und der Weltenlauf zieht Günther Anders eine lange Nase. Was bisher nur für die anderen galt — die immer tapferen Briten, die selbstbewußten Franzosen, die allzeit bereiten US-Amerikaner, das gilt bald auch für uns: Mal ein bißchen militärisch spekulieren dürfen, was passiert, wenn wer mit welchen Waffen welchen Schlag verübt... Wieder in historischen Dimensionen denken, wo es den eigenen Kopf nicht kosten kann. Noch einmal gründlich überlegen, ob es nicht doch, in angemessener Entfernung, gerechte Kriege gibt und wo der Pazifismus ein Ende haben muß. Die deutsche Verantwortung bedenken und unsere Rolle im Staatenverbund. Und wie das wäre: wir, in der alten heiligen Antifa-Allianz, gemeinsam mit polnischen Lazarettschiffen! Wie schrieb weiland Karl-Heinz Bohrer in der 'FAZ‘: „Mit Metzgereien ausstaffiert wie mit Boutiquen und so übersättigt, verängstigt, eingekauft ist diese westdeutsche Händlernation, daß sie nur andere für sich kämpfen lassen könnte...“ Er wird unser Chefkommentator! Elke Schmitter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen